Auf dem Weg zur Elimination

Versorgungslücken schliessen beim Testen auf virale Hepatitis

Weitere Organisationen und Institutionen
Ausgabe
2018/3031
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2018.06920
Schweiz Ärzteztg. 2018;99(3031):973-975

Affiliations
a Arud Zentrum für Suchtmedizin, Zürich; b Epatocentro, Lugano; c Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital, Lausanne; d Schweizerische Hepatitis C Vereinigung SHCV, Zürich; e Institute of Global Health, Universität Genf; f Consultant, Denges; g Geschäftsführung Hepatitis Schweiz, Zürich, h Gastroenterologie, Hepatologie und Klinische Pathologie, Universitätsspital, Genf; i Universitätsklinik für Infektiologie, Inselspital, Universität Bern; j Privatpraxis, Basel; k UVCM, Hepatologie, Inselspital Bern

Publiziert am 24.07.2018

Sowohl international als auch national streben Strategien die Eliminierung von Hepatitis B und C an. Eines der grössten Hindernisse auf dem Weg zu diesem Ziel ist nebst der ungenügenden Aufklärung die erhebliche Zahl von betroffenen Personen, die nicht getestet sind.
In der Schweiz leben ca. 44 000 Menschen mit einer chronischen Hepatitis B und 40 000 mit einer chronischen Hepatitis C [1]. Bei Hepatitis C gehen Schätzungen davon aus, dass gut ein Drittel der Betroffenen nicht diagnostiziert ist. In einer Studie bei Patienten unter Opioid-Substitutionstherapie im Kanton Aargau stellte sich heraus, dass in dieser Hochrisikopopulation bei einem Viertel nie ein Hepatitis-C-Test und bei einem Fünftel der positiv Getesteten nie ein Virusnachweis vorgenommen wurde (s. Abb. 1) [2]. Dies, obwohl seit Jahren klare Testempfehlungen vorliegen [3].
Lücken in der Hepatitis-C-Versorgung bei Opioid-Substitutionspatienten im Kanton ­Aargau [2]. HCV = Hepatitis-C-Virus, AK = Antikörper
A = noch nie HCV-AK-Screening: 23,9% (49/205)
B = kein HCV-RNA-Test, wenn HCV-positiv: 18,9% (18/95)
C = noch nie behandelt, wenn jemals chronische Hepatitis C: 54,1% (33/61)
Die Schweizer Hepatitis-Strategie hat zum Ziel, Hepa­titis B und C bis 2030 in unserem Land zu eliminieren [4]. Nebst der Verbesserung der Aufklärung auf allen Ebenen liegt ein primärer Fokus dieser Strategie beim Füllen der Versorgungslücke im Bereich Testen. In der Schweiz wird zurzeit für Hepatitis B und C eine ­risikobasierte Teststrategie verfolgt [5]. Angesichts der eingangs erwähnten Schätzungen bezüglich der ­Dunkelziffer sind zusätzliche Teststrategien notwendig, um dieses Ziel der Schweizer Hepatitis-Strategie zu erreichen.
In neulich vom BAG publizierten detaillierten Aus­wertungen der Daten des Meldewesens [6, 7] wurde gezeigt, dass die Ansteckungen via i.v.-Drogenkonsum ­sowohl bei Hepatitis B als auch bei Hepatitis C ab­genommen haben und die Zahl der unbekannten Ansteckungswege bei beiden zugenommen hat. Während bei Hepatitis C die Ansteckung über i.v.-Drogenkonsum nach wie vor den häufigsten Transmissionsweg darstellt, ist bei Hepatitis B seit Anfang des Jahrtausends die sexuelle Übertragung im Vordergrund. Die Zahl der total gemeldeten Fälle von Hepatitis B und C ist in den letzten Jahren ungefähr stabil geblieben.

Hepatitis C

Dringender Handlungsbedarf beim Testen von Hepatitis C besteht aufgrund der erheblichen Versorgungs­lücke bei Personen mit Drogenkonsum. Hier können mit einer rechtzeitigen Diagnose gefolgt von einer Therapie nicht nur Folgeerkrankungen verbunden mit entsprechenden Kosten abgewendet werden, sondern auch eine Weiterverbreitung des Virus verhindert werden. Institutionen, Ärztinnen und Ärzte, die Personen mit Drogenkonsum betreuen, insbesondere Verschreibende von Opioid-Substitutionstherapien, sind aufgerufen, in dieser Population konsequent auf Hepatitis C zu screenen und bei anhaltendem Risiko und negativem Screening mindestens jährlich zu testen. Positiv getestete Patienten sollen weiter abgeklärt [5] und für eine Therapie motiviert werden.
Aufgrund der Altersverteilung von Hepatitis-C-Betroffenen [8] gilt den Jahrgängen 1950 bis 1985, die mehr als drei Viertel der Hepatitis-C-Population ausmachen [7] und somit eine im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung erhöhte Prävalenz aufweisen, ein besonderes Augenmerk, wenn’s ums Testen geht. Noch läuft eine Studie im Auftrag des BAG, ob ein generelles Screening dieser Jahrgänge empfohlen werden soll. Bereits jetzt kann jedoch gesagt werden, dass Personen, die in ­besagten Jahren geboren wurden, gründlich über die ­diversen Risikofaktoren informiert und im positiven oder Zweifelsfall auf Hepatitis-C-Antikörper untersucht werden sollten. Zum Beispiel bei Check-ups oder beim Kolonkarzinom-Screening, beides Massnahmen, die in diesen Jahrgängen häufig durchgeführt werden.
Migranten der ersten Generation aus Südeuropa, insbesondere aus Italien, die über 60-jährig sind, weisen ebenfalls eine im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung stark erhöhte Hepatitis-C-Prävalenz auf [9]. Dies aufgrund von paramedizinischen Injektionsbehandlungen in den 50er- und 60er-Jahren, wie zum Beispiel ­Vitaminkuren, die mit ungenügend sterilisiertem ­Material durchgeführt wurden. Auch hier ist ein grosszügiges Hepatitis-C-Testen angebracht.
Fabian Unteregger ruft anlässlich des Welt-Hepatitis-Tages zum Testen auf.

Hepatitis B

Im Gegensatz zu Hepatitis C kann Hepatitis B sehr effizient durch Impfen verhindert werden. Die Durchimpfungsraten in der Schweiz sind kantonal sehr unterschiedlich, in einigen Regionen besteht erheblicher Nachholbedarf. Während die neu gemeldeten Fälle von aus der Schweiz stammenden Personen abnehmen, ist die Zahl der mit einer bereits vorliegenden Hepatitis-B-Infektion in die Schweiz migrierenden Menschen zunehmend [1]. Bei Personen aus Hochprävalenzregionen wie in Südostasien oder Afrika erfolgen die Ansteckungen häufig im Kleinkindesalter im familiären Umfeld und bei Geburt von der Mutter auf das Kind.
Nebst einer konsequenten Durchimpfung der Bevölkerung bis spätestens im Alter von 16 Jahren [10] sollten insbesondere ungeimpfte erwachsene Personen mit Hochrisikoverhalten sowie Menschen aus Hochprävalenzregionen (Südostasien, Subsahara-Afrika, Amazonasbecken) getestet [5] und im negativen Fall geimpft werden.

Schlussfolgerung

Bei folgenden Personen ist ein Hepatitis-B- und C-Test unerlässlich:
– Personen in Opioid-Substitutions-Therapie
– Personen mit i.v.- oder pernasalem Drogenkonsum
– HIV-positive Personen
– Personen mit erhöhten Leberwerten
Bei negativem Resultat und anhaltendem Risiko jähr­liches Wiederholen des Screenings respektive im Falle von Hepatitis B impfen.
Schwangere Frauen werden routinemässig auf Hepatitis B getestet.
Diesen Patientengruppen gilt bezüglich Hepatitis C ein besonderes Augenmerk:
– Patienten beim Check-up oder Kolonkarzinom-Screening
– Erstgenerations-Immigranten aus Italien und Spanien mit Jg. 1953 und älter.
Alle Kinder und Jugendlichen sowie Risikopopulationen sollen gemäss Impfplan gegen Hepatitis B geimpft werden.

Welt-Hepatitis-Tag: 
«Ich habe den Test gemacht, und du?»

Am 28. Juli ist der Internationale Welt-Hepatitis-Tag, der jedes Jahr begangen wird und die Aufmerksamkeit auf das immer noch drängende Problem der viralen Hepatitis legen will. In der Schweiz werden prominente Persönlichkeiten wie Comedian und Arzt Fabian Unteregger Menschen mit einem Risiko zum ­Testen auffordern. Auf Flyern, Plakaten in Arztpraxen, Labors und Behandlungszentren sowie online wird zum Risikotest unter www.hepatitis-schweiz.ch auf­gerufen.
Mehr Informationen unter www.hepatitis-schweiz.ch

Schweizer Hepatitis-Strategie

Die Schweizer Hepatitis-Strategie ist ein Netzwerk von über 80 ehrenamtlich tätigen Persönlichkeiten aus Medizin, Wirtschaft, Betroffenenorganisationen, Versicherern sowie Politik und ist in der gesamten Schweiz tätig. Diese zivilgesellschaftliche Initiative besteht seit Anfang 2014. Über 30 Institutionen, darunter alle Universitätsspitäler und die Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK, sind Partner des Netzwerks und unterstützen die Initiative ideell. Die gemeinsame Vision ist es, virale Hepatitis bis 2030 in der Schweiz zu eliminieren. Die Schweizer Hepatitis-Strategie ist ein Projekt des Vereins Hepatitis Schweiz.
PD Dr. med. ­Philip ­Bruggmann
Hepatitis Schweiz
c/o Arud Zentrum für ­Suchtmedizin
Schützengasse 31
CH-8001 Zürich
Tel. +41 58 360 50 00
p.bruggmann[at]arud.ch
 1 Keiser O, Bertisch B, Zahnd C, et al. Situationsanalyse Hepatitis B und C in der Schweiz. 2017, Institut für Sozial und Präventiv­medizin der Universität Bern: Bern. www.bag.admin.ch/­situationsanalyse-hepatitis
 2 Bregenzer A, et al. Management of hepatitis C in decentralised ­versus centralised drug substitution programmes and minimally invasive point-of-care tests to close gaps in the HCV cascade. Swiss Med Wkly. 2017;147:w14544.
 3 Substitutionsgestützte Behandlung bei Opioidabhängigkeit. ­Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), Revision 2013. https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/
­mensch--gesundheit/sucht/suchtberatung-therapie/
substitutionsgestuetzte-behandlung.html
 4 Swiss Hepatitis Strategy 2014–2030. Process Paper. 2016.
 5 Fretz R, et al. Hepatitis B and C in Switzerland – healthcare pro­vider initiated testing for chronic hepatitis B and C infection. Swiss Med Wkly. 2013;143:w13793.
 6 Richard JL, et al. Reduction of acute hepatitis B through vaccina-tion of adolescents with no decrease in chronic hepatitis B due to immigration in a low ende-micity country. Swiss Med Wkly. 2017;147:w14409.
 7 Richard JL, et al. The epidemiology of hepatitis C in Switzerland: trends in notifications, 1988–2015. Swiss Med Wkly. 2018;148:w14619.
 8 Bruggmann P, et al, Birth cohort distribution and screening for viraemic hepatitis C virus infections in Switzerland. Swiss Med Wkly. 2015;145:w14221.
 9 Bertisch B, et al. Characteristics of Foreign-Born Persons in the Swiss Hepatitis C Cohort Study: Implications for Screening Recommendations. PLoS One. 2016;11(5):e0155464.
10 Bundesamt für Gesundheit, Eidgenössische Kommission für Impffragen. Schweizerischer Impfplan 2018. Richtlinien und Empfehlungen. www.bag.admin.ch/impfplan.

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