Wir haben in unserer Zweierpraxis mehrere hundert Patientinnen und Patienten gegen Covid-19 geimpft. Obwohl die finanzielle Entschädigung unterirdisch ist, wollten wir einen Beitrag leisten zum Schutz unserer Patientinnen und Patienten. Die Belastung war immens: schwierige Patientenselektion, telefonische Terminabsprache und Impfdurchführung. Viel Zeit benötigte auch die Erfassung im kantonalen Register mit komplizierter Benutzerführung, wobei ein Datentransfer vom Praxissystem nicht möglich war. Zusätzlich zu Namen und Adresse mit Telefonnummer mussten Risikodiagnosen angegeben und mittels Checkbox bestätigt werden, dass der 93-jährige Patient nicht schwanger ist. Aus dieser Datenbank musste dann mühsam für jede einzelne Person ein kantonales Zertifikat mit QR-Code generiert und ausgedruckt werden, welches bei Zweitimpfung ausgehändigt wurde.
Nicht überraschend ist das kantonale Impf-Tool fehlerbehaftet, musste der Kanton doch aus dem Nichts eine Lösung hinzaubern, weil das BAG sich als unfähig erwiesen hat, rechtzeitig ein entsprechendes Tool zur Verfügung zu stellen. Noch heute ist der Bund beschäftigt mit der Evaluation eines Zertifikats aus 52 Bewerbern. Auch unsere FMH hat eine Version eingereicht, ist jedoch durchgefallen, aus welchen Gründen auch immer. Nun plant die FMH, den eigenen inoffiziellen Impfausweis trotzdem öffentlich anzupreisen und einzuführen, wahrscheinlich um die entstandenen Entwicklungskosten zu rechtfertigen. Gemäss Verlautbarung sei der Schritt nötig, damit Geimpfte rechtzeitig dokumentiert seien, obwohl sie das mit dem kantonalen Zertifikat bereits sind. Der Impfarzt soll den FMH-Ausweis erstellen und den Patienten abgeben, wobei die Patientendaten direkt vom Praxissystem importiert werden könnten. Nicht bedacht wurde, dass die Daten der Impfungen nicht im Abrechnungssystem erscheinen und separat nachgetragen werden müssten. Gleich verhält es sich mit einer allfällig durchgemachten Covid-Erkrankung. Ebenso wenig hat sich der Zentralvorstand Gedanken gemacht, wie unsere Praxistelefone und MPAs erneut belastet werden für die Ausstellung eines letztendlich ungültigen zusätzlichen Zertifikats.
Was geschieht erst, wenn die übrigen 50 negativ evaluierten Anbieter ihren Ausweis ebenfalls anpreisen? Was, wenn der Bund eines Tages überraschenderweise ein offizielles Zertifikat anbietet und als integrativen Bestandteil der Impfentschädigung ebenfalls uns Impfärzte ausfüllen lässt?
Vertretbar ist die Einführung jeglicher Zertifikate ausschliesslich, wenn sämtliche Daten aus den bestehenden kantonalen Registern importiert werden mit direktem Versand an die PatientInnen, ohne Einbezug der Impfpraxen. Aber nur so!
Ansonsten sähen wir uns genötigt, unser Telefon analog den umliegenden Spitälern zu konfigurieren: «Wenn Sie Fragen zum Impfausweis haben, kontaktieren Sie bitte direkt die FMH unter Telefon 031 359 11 11, ansonsten drücken Sie die 1.»
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