«Starkes Bewusstsein für Gesundheit»
Auf den Punkt

«Starkes Bewusstsein für Gesundheit»

News
Ausgabe
2023/46
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.1309178489
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(46):8-9

Publiziert am 17.11.2023

Befragung
Alle fünf Jahre erhebt der Bund mit der Gesundheitsbefragung, wie es den Leuten in der Schweiz geht. Marco Storni, Projektleiter beim Bundesamt für Statistik, gibt Auskunft über markante Veränderungen und darüber, wie zufrieden die Menschen mit ihren Arztbesuchen sind.
Marco Storni, welche Veränderungen gab es im Vergleich zur letzten Gesundheitsbefragung?
Die Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Krankheiten haben weiter zugenommen, vor allem bei Männern über 65 Jahre. Ungefähr gleich geblieben ist die Zahl von muskuloskelettalen Krankheiten. Eine markante Verschlechterung stellen wir bei der psychischen Belastung junger Frauen fest. Die Gründe dafür sind nicht ganz klar. Bedacht werden muss sicher die Entstigmatisierung: Junge Menschen getrauen sich heute öfter, über psychische Schwierigkeiten zu sprechen. Auch junge Männer geben heute häufiger an, unter psychischen Problemen zu leiden. Sie holen aber weniger oft Hilfe.
Sehen Sie auch positive Veränderungen?
Erfreulich ist, dass die Zahl der Raucher und Raucherinnen gesunken ist, nachdem es hier eine längere Phase der Stagnation gab. Vor allem bei den Männern im Alter von 15 bis 44 Jahren sehen wir einen Rückgang. Man hätte zudem ein anderes Resultat erwarten können, weil es zum Beispiel aus Deutschland die Nachricht gab, dass die Zahl der jungen Raucher nach der Pandemie wieder gestiegen sei. Positiv ist ausserdem, dass sich der Gesundheitszustand der Menschen im Allgemeinen nicht verschlechtert hat, trotz Pandemie.
Sie erheben jeweils die Anzahl Arztbesuche. Wie haben sich diese entwickelt?
Dazu eine Vorbemerkung: Wir befragen eine Stichprobe, im Jahr 2022 umfasste diese 21 930 Personen. Von den Befragten haben 73% innerhalb von zwölf Monaten mindestens einmal eine Generalistin oder einen Generalisten aufgesucht. 46% der Bevölkerung waren 2022 bei einer Spezialistin oder einem Spezialisten. Die Zahl der Konsultationen bei den Spezialistinnen und Spezialisten ist gestiegen, die bei den Hausärztinnen und Hausärzten blieb stabil.
Und wie zufrieden waren die Menschen mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin?
Drei Viertel der Befragten beurteilten ihre Behandlung als ausgezeichnet oder sehr gut. Nur 1% gab ein sehr negatives Urteil ab. Die Mehrheit der Befragten fand ausserdem, dass sich der Arzt oder die Ärztin genügend Zeit genommen hat. Im internationalen Vergleich sind das sehr hohe Werte.
Was tun die Menschen für ihre Gesundheit?
Wir stellen ein starkes Bewusstsein für die Gesundheit fest. Das liegt wohl auch daran, dass Gesundheits- und Ernährungsthemen immer mehr von den Medien thematisiert werden. Zwischen 2002 und 2017 ist der Anteil jener, die sich viel bewegen, stark gestiegen. Ähnliche Tendenzen haben wir auch bei der Ernährung festgestellt. Allerdings werden die Empfehlungen nicht immer umgesetzt: Empfohlen wird, nicht öfter als dreimal pro Woche Fleisch zu essen. Gemessen an dieser Empfehlung assen 57% der Männer und 37% der Frauen 2022 zu oft Fleisch.
Welche langfristigen Veränderungen stellen Sie seit der ersten Gesundheitsbefragung 1992 fest?
Das Gesundheitsverhalten von Frauen und Männern gleicht sich zusehends an. Das Gesundheitsverhalten war in vielen Bereichen durch Geschlechternormen beeinflusst, zum Beispiel waren es vor allem Männer, die rauchten und Alkohol tranken, aber auch mehr Sport trieben.
Was auch auffällt: Ältere Menschen tun mehr für ihre Gesundheit und leiden weniger oft unter Einschränkungen als früher. Gleich geblieben ist, dass Unterschiede zwischen den sozialen Schichten bestehen: Sozial schlechter gestellte Menschen haben einen schlechteren Gesundheitszustand und haben weniger Möglichkeiten für gesundheitsförderliche Verhaltensweisen.
Welche Limitationen hat die Gesundheitsbefragung?
Die Teilnahme ist freiwillig, eventuell beteiligen sich eher Menschen mit einem gesteigerten Interesse für Gesundheitsthemen. Und wir können nicht ausschliessen, dass die Antworten der Befragten durch die soziale Erwünschtheit beeinflusst werden, etwa im Hinblick auf den Suchtmittelkonsum oder die Bewegung. Wir können mit der Befragung keine Asylsuchenden oder Obdachlosen erreichen. Ebenfalls schwer zu befragen sind Menschen, die keine der Landessprachen sprechen.

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