Mehr Spass mit der passenden Praxissoftware

Schwerpunkt
Ausgabe
2023/34
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21920
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(34):72-73

Publiziert am 23.08.2023

Software Wenn die Praxissoftware Schmerzen bereitet, gehört dies ordentlich untersucht. Eine Evaluation hilft, die passendere Software zu finden. Diese muss zukunftsgerichtete Fähigkeiten bieten. Nach Migrationsprojekt und Eingewöhnungszeit macht die Praxistätigkeit mehr Spass und erschliesst neue digitale Möglichkeiten.
Wenn das Instrument passt, macht das Spielen Spass. Das gilt auch für digitale Instrumente im Praxisalltag. In der Schweiz besteht ein grosses Angebot an Softwarelösungen für Arztpraxen (Praxisinformationssystem, PIS) [1]. Für neue Praxen stellt sich die Qual der Wahl. Bei Praxiszusammenschlüssen muss geklärt werden, welches der vorhandenen PIS weitergeführt werden soll. Für bestehende Userinnen und User lohnt sich hie und da die Frage der Zufriedenheit mit dem aktuellen PIS und mit dem Lieferanten. Manchmal bereiten solche Überlegungen Schmerzen. Dann ist es Zeit für eine Untersuchung, genannt «PIS-Evaluation». Aufgabe ist, das passende zukunftsfähige Instrument zu finden. Mit dem «Spass am Spielen» ist gemeint, dass nach einem Umstieg die Effizienz und Effektivität bei den Alltagstätigkeiten zunimmt. Für die Evaluation eines PIS empfiehlt sich eine professionelle Begleitung [2].

Die Praxissoftware wird zur Informationsdrehscheibe

Beim Vergleich verschiedener Software-Lösungen spielen – viel mehr als früher – auch zukunftsgerichtete Anforderungen eine Rolle. Das PIS ist die Informationsdrehscheibe des Praxisalltags. Herkömmlich kann ein PIS Stammdaten verwalten, Kalender und Ressourcen planen, die Leistungen erfassen und abrechnen sowie die Krankengeschichten führen. Mit dem Begriff «Drehscheibe» kommen weitere Fähigkeiten ins Spiel, und zwar zunehmend auch für verteilte medizinische Daten und kollaborative Arbeitsabläufe über die eigene Praxis hinaus. Falls das PIS diese gut unterstützt, kann damit der Praxisalltag erheblich erleichtert werden.
Um welche prinzipiellen Fähigkeiten geht es?
Standardisierte Datenaustauschformate ermöglichen es, Daten in einem vereinbarten Format zu empfangen, abzuspeichern und auch weiterzugeben [1].
Die Integration ermöglicht den sicheren und geregelten elektronischen Austausch mit Partnerorganisationen und externen Informationsquellen über Schnittstellen und noch deutlich eleganter über Datenaustauschplattformen [1]. Mit Hilfe von Adaptoren an diese Plattformen braucht es keine teuren individuellen Einzelschnittstellen mehr.
Bei den Arbeitsabläufen soll die Softwarelösung eine Unterstützung in der alltäglichen Arbeit bieten, durch die verschiedenen Aufgaben führen und mit nützlichen Automatismen unterstützen. Dazu zählen auch Reminder- und Cockpit-Funktionen für ganze Patientengruppen (z. B. für Menschen mit Diabetes mellitus, vgl. [1]). Auch hierzu bestehen Standards [1].
Software unterstützt auch zunehmend direkt beim ärztlichen Handwerk, beim Medizinprozess mit Anamnese, klinischer Untersuchung, Befundung, Diagnose und Therapie. Wenn es sich dabei um ein «medizinisch indiziertes Ergebnis für eine bestimmte Patientin oder einen bestimmten Patienten» [2] handelt, muss die Software als Medizinalprodukt zertifiziert sein. Zertifizierungspflichtige medizinische Funktionen brauchen jedoch nicht von jedem Software-Hersteller einzeln neu erfunden zu werden – viel eleganter ist es, sie als Module oder Erweiterungen einzubinden [1].
Medical practitioner answering phone calls
Das PIS ist die Informationsdrehscheibe des Praxisalltags.
© Dragoscondrea / Dreamstime

PIS-Evaluation mit dem Blick auf morgen

Wie kommt eine Arztpraxis zu einer solchen Softwarelösung? Bei der Evaluation eines künftigen PIS geht es nicht nur um die heutigen funktionalen Anforderungen. Zu den nicht-funktionalen Anforderungen zählt auch der Blick nach vorn: wie weit ist der Software-Hersteller bereit, in die eigene Lösung zu investieren und sie mit Datenaustauschstandards zu versehen? Besteht eine grundsätzliche Offenheit für moderne Schnittstellen [1] oder Adaptoren und das Anbinden an Datenaustauschplattformen? Können Software-Module von Dritten eingebunden werden, so dass die eigene «Werkbank», das PIS, mit zusätzlichen «externen Werkzeugen» erweitert werden kann?
Bei der PIS-Evaluation könnte zum Beispiel abgefragt werden, wie die Software diesen konkreten Anwendungsfall aus der Sicht der Hausarztpraxis möglichst elegant unterstützt: «Mit einer digitalen Krankenakte könnten die Ärzte im Spital zum Beispiel die Befunde ganz einfach mit den Hausärztinnen und Hausärzten, dem Pflegepersonal und den Apotheken teilen» [3]. Auch weitere Partner von Hausarztpraxen, nebst den Spitälern, sind zunehmend digitalisiert: Labore, radiologische Institute, Apotheken, staatliche Stellen und andere.
Eine weitere Ebene gewinnt an Bedeutung: Gesundheits-Apps unterstützen Patientinnen und Patienten verlässlich und dauerhaft. Sie liefern zudem einen kontinuierlichen Strom an medizinisch relevanten Daten (dazu mehr bei [4]). Deutschland ist ein mutiger Vorreiter beim Thema «App auf Rezept», der Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGa) [1]. Der Schweiz ist die gleiche regulatorische Offenheit zu wünschen. «In Zukunft könnte die Ärztin zum Beispiel auf Daten aus den Applikationen des Smartphones oder der Fitnessuhr des Patienten zugreifen» [3]. Voraussetzung dafür ist, dass dieser Datenstrom mit der Hausarztpraxis geteilt werden kann. Einmal in der Praxis verfügbar, müssen die Daten im PIS oder einem angebundenen externen Software-Modul automatisch zweckmässig dargestellt werden. Hier interessiert ebenfalls, welchen Lösungsansatz ein PIS-Hersteller bietet. Denn: «Durch die Umsetzung der digitalen Prozesse muss ein Mehrwert entstehen, sonst ist sie die Mühe nicht wert» [3].

Wenn es zum Wechsel der Software kommt

Wenn der Evaluationsentscheid für ein neues PIS gefällt ist, entsteht daraus ein Migrationsprojekt. Auch dieses sollte professionell begleitet werden. Im Idealfall verfügt der neue PIS-Lieferant über Erfahrungen. In einem kleinen Vorprojekt erfolgt eine Testmigration. Damit lässt sich abschätzen, wie gross der Anteil der erfolgreich migrierbaren Daten und Dokumente ist.
Im Gespräch mit dem Autor äusserte eine erfahrene Hausärztin Bedenken zum PIS-Wechsel. Sie sei nicht glücklich mit ihrer aktuellen Lösung, habe aber nur noch neun Jahre bis zur Pensionierung, da lohne sich der Aufwand ja kaum. Ganz im Gegenteil: wenn Evaluation, Migration und Eingewöhnung mit einer realistischen Durchlaufzeit dazu führen, dass dann ein neues digitales Instrument ihr selbst, ihren Praxismitarbeitenden und vor allem ihren Patientinnen und Patienten mit den eingebundenen App-Daten noch jahrelang viel mehr Spass (und Mehrwert) bereitet, dann ist es den Wechselaufwand alleweil wert.
Lukas Wenger
Leiter Beratung und Mitglied der Geschäftsleitung bei BINT GmbH.
Lukas.Wenger[at]bint.ch
1 Villiger L, Amherd P, Djalali S, Eggenberger R, Giger A, Kim SI, et al. Empfehlungen für elektronische KGs in der Betreuung des Diabetes mellitus Typ 2 in der Grundversorgung. SGED. https://www.sgedssed.ch/fileadmin/user_upload/6_Diabetologie/62_Empfehlungen_Hausarzt/Empfehlungen_DM2_Praxissoftware_DE.pdf (abgerufen am 26.05.2023).
2 Isler M, Sojer R. Software als Medizinprodukt – Informationen für die Ärzteschaft? Schweizerische Ärztezeitung. 2022;103(41),28–31.
3 Goldhahn J. Die Medizin der Zukunft ist digital. Praxistipp. Schweizerische Ärztezeitung. 2022;103(43),74–75.
4 Pfeiffer V, Sojer R. «There is an App for That»: Zukunft oder ärztlicher Alltag? Umfrage der FMH zu digitalen Anwendungen während der Prävention und Nachsorge. Schweizerische Ärztezeitung. 2022;103(31/32),962–965.

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