Auf den Punkt

Hitzewellen – Wie gut sind Spitäler vorbereitet?

News
Ausgabe
2023/34
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.22086
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(34):6-7
Data Supplement
News-Auf_den_Punkt.pdf

Publiziert am 23.08.2023

Klimawandel Ältere Menschen sind bei grosser Hitze am stärksten gefährdet. Dies belegen aktuelle Studien, die eine Ausweitung der entsprechenden Strategien empfehlen. Geriatrische Einrichtungen sind besonders betroffen.
Im Jahr 2022 betraf die sommerliche Hitzewelle in fast 90% der Fälle zuerst die über 65-Jährigen. Doch auch die städtische Bevölkerung ist besonders stark von der Hitze betroffen, vor allem in den Kantonen Genf, Waadt, Basel-Stadt und Zürich. Dies geht aus einer diesen Sommer erschienenen Studie hervor, die unter der Leitung der Epidemiologin Ana Maria Vicedo-Cabrera vom Oeschger-Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern und dem Institut für Sozial und Präventivmedizin durchgeführt wurde [1]. Die Forschenden warnen davor, dass Hitzewellen in den nächsten Jahrzehnten zunehmen werden. Zum gleichen Ergebnis kamen bereits andere wissenschaftliche Studien, die sich auf die Sterblichkeitsraten im Hitzesommer 2022 stützen. Dieser hatte in Europa etwa 70 ​000 zusätzliche Todesfälle verursacht.
Wie reagieren? Der Kanton Waadt hat, wie auch andere Kantone in der Romandie und das Tessin, seit 2009 einen «kantonalen Hitzeaktionsplan» zur Prävention und Intervention im Gesundheitswesen, der eine Überlastung des Gesundheitssystems vermeiden soll. Neben der Koordination und der Information der Verantwortlichen in den verschiedenen Verwaltungsabteilungen und der Gesundheitsfachpersonen vervollständigen Monitoring, therapeutische Massnahmen und das Angebot von Hausbesuchen das 2018 aktualisierte System [2].

Ausweitung der Massnahmen

Nach wie vor gelten Personen über 70 Jahren als stärker gefährdet, da sie «aus physiologischen Gründen empfindlicher sind, unter anderem durch vermindertes Durstgefühl, verminderte Fähigkeit des Körpers, die Temperatur durch Schwitzen zu regulieren und Polymedikation», sagt Wanda Bosshard Taroni, Leitende Ärztin in der Abteilung für Geriatrie und geriatrische Rehabilitation des Universitätsspitals Lausanne (CHUV). Was hat sich geändert? Zunächst die Ausweitung der Massnahmen: «In unserer Abteilung wird ein Hitzewellenverfahren bereits vor der offiziellen Warnung eingeleitet, um Probleme vorhersehen zu können», erklärt sie.
Ab Juni misst das Pflegepersonal auf den Stationen dreimal täglich die Temperatur. In den Gemeinschaftsräumen und in den Zimmern der Risikopatientinnen und -patienten gibt es Klimaanlagen. Ausserdem wird bei zusätzlichen Rundgängen mehrmals täglich eine Rehydrierung angeboten und isotonische Getränke bereitgestellt. Die Überwachung der Flüssigkeitszufuhr und -bilanz bei jeder Patientin, jedem Patienten gehören zu den Massnahmen, die das Personal immer mehr beanspruchen. «Eine häufige Überwachung der Vitalparameter ist vorgeschrieben und eine tägliche Überprüfung der Medikation ist gewährleistet, wobei Diuretika, blutdrucksenkende Arzneimittel und Psychopharmaka, wenn nötig ausgesetzt und abgesetzt werden», sagt Wanda Bosshard Taroni.

Die Gewohnheiten ändern

Hitzeinseln vermindern, für genug Schatten sorgen und Bäume pflanzen, sowie nachts durchlüften. Diese Lösungen schlägt François Herrmann, Leitender Arzt der Abteilung für Rehabilitation und Geriatrie des Universitätsspitals Genf (HUG) in einer Studie über die Sterblichkeit aufgrund von Hitzewellen in Europa im Jahr 2022 vor [3]. Die Zunahme der Hitzewellen habe aber auch andere Herausforderungen mit sich gebracht, wie die Entwicklung von Kühlsystemen für die Lagerung und Aufbewahrung von Arzneimitteln. In Zukunft werden wir einige unserer Gewohnheiten ändern und an die Gepflogenheiten in südlichen Ländern anpassen müssen: Etwa leichtere und lockere Kleidung tragen oder die Ernährung auf frischere und leichter verdauliche Mahlzeiten umstellen, zum Beispiel kalte Suppen.
Für Mallory Moret Bochatay, Chefärztin und Co-Leiterin der Abteilung für Innere Medizin und Intensivpflege des Spitalverbunds Westlicher Genfersee (GHOL) in Nyon, stellt die Eröffnung eines neuen, vollklimatisierten Gebäudes eine unmittelbare Erleichterung dar. Ihr bereitet der deutliche Anstieg der Spitaleinlieferungen und die Mobilisierung der Pflegeteams Sorge, aber auch «was mit diesen gefährdeten Menschen geschieht, wenn sie wieder allein zu Hause sind. Die Solidaritäts- und Nachbarschaftsbeziehungen sollten gestärkt und Hausbesuche durchgeführt werden.»
Starke Hitze macht vor allem Seniorinnen und Senioren zu schaffen.
© Satjawat Boontanataweepol / Dreamstime
1 Ana M. Vicedo-Cabrera, Evan de Schrijver, Dominik L. Schumacher, Martina S. Ragettli, Erich M. Fischer, Sonia I. Seneviratne: The footprint of human-induced climate change on heat-related deaths in the summer of 2022 in Switzerland. 4 juillet 2023, Environmental Research Letters. doi.org/10.1088/1748-9326/ace0d0
3 Ballester, J., Quijal-Zamorano, M., Méndez Turrubiates, R.F. et al. Heat-related mortality in Europe during the summer of 2022. Nat Med 29, 1857–1866 (2023). doi.org/10.1038/s41591-023-02419-z

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