Finanzierungsart, Stellenwert und Betreuung der Ausbildung von Hausärztinnen und Hausärzten

Praxisassistenz

Weitere Organisationen und Institutionen
Ausgabe
2017/24
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.05547
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(24):765–766

Affiliations
a Dr. med., Cursus Romand de Médecine de Famille, Mitglied FMH; b Dr. med., Cursus Romand de Médecine de Famille, Mitglied FMH

Publiziert am 14.06.2017

Ansatz

Seit rund zehn Jahren sind sich der medizinische Verband und die politischen Verantwortlichen des Gesundheitssystems bewusst, dass insbesondere in den Randregionen der Bestand an Hausärztinnen und Hausärzten knapp ist und knapp wird. Um den Nachwuchs bei den Hausärztinnen und Hausärzten zu fördern, wurden mit der Unterstützung der Conférence ­latine des Affaires Sanitaires et Sociales (CLASS) in ­allen Westschweizer Kantonen entsprechende Programme geschaffen und von diesen mitfinanziert. ­Zudem erteilte die CLASS dem Cursus Romand de ­Médecine de ­Famille (CRMF) 2007 den Auftrag, die Nach­diplom­ausbildung der Hausärztinnen und Hausärzte sowie die Praxisassistenz in der Westschweiz zu entwickeln und zu koordinieren.
Das Programm der Praxisassistenz wurde bereits 1998 von der FMH und dem Kollegium für Hausarztmedizin (KHM) lanciert. 2008 wurde die Verantwortung für das Programm CMPR der neu gegründeten Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin (WHM) übertragen. Diese Stiftung finanziert – zusätzlich zu den Praxisassistenz-Stellen, die von den Kantonen mitfinanziert werden – in der ganzen Schweiz ­jedes Jahr rund fünfzig Praxisassistenzen mit.
Mit der Schaffung dieser Stellen wird auf den Befund reagiert, dass die derzeitige Ausbildung im Wesent­lichen spitalzentriert ist. Die spezifische Ausbildung in der ambulanten Medizin unterscheidet sich von der Aneignung von Kompetenzen, die mit dem ­Spital zu tun haben. Die Praxisassistenz gehört zu den ­wesentlichen Instrumenten einer Ausbildung im Rahmen einer effizienten und qualitativ hochstehenden ambulanten Medizin.

Überblick über die Situation

Die meisten Ausbildungsstellen in der Praxisassistenz werden derzeit subventioniert. Die Praxis zeigt, dass es in der Schweiz verschiedene Finanzierungsmodelle gibt. Zwei wichtige Finanzierungsquellen bestehen ­nebeneinander1:
– Von jedem Kanton entwickelte Programme der Praxisassistenz2: Die kantonalen Behörden gewähren eine Finanzierung für eine sechsmonatige Periode in Vollzeit oder ein Jahr im Rahmen einer 50%-
Stelle. Diese kann pro Arzt während seiner gesamten Ausbildung nur einmal gewährt werden. Diese Dauer hat zum Ziel, im Rahmen eines beschränkten Budgets allen ein Minimum zu gewährleisten.
– Die Finanzierung gewisser Stellen durch die WHM3, die eine von der FMH stammende Finanzierung aufteilt.
Die Praktika in den Arztpraxen subventionieren die Kantone derzeit mit einem Anteil von 60 bis 80% des ­Assistenzarzt-Lohnes. Dies erfolgt unter Berücksich­ti­gung der Berufsjahre. Dabei wird von einem Voll­zeit-Jahreslohn ausgegangen, der inkl. Sozialaufwand durch­schnittlich 100 000 CHF beträgt. Ein solches Vorgehen impliziert somit, dass die Lernzeit finanziert wird.

Antrag des CRMF

Die Finanzierung der Lernstunden entspricht nicht der tatsächlichen Situation. Auch ein sich in Ausbildung befindender Assistenzarzt leistet eine klinische Arbeit, die den Patientinnen und Patienten in Rechnung gestellt werden kann. Der Praktikumsbetreuer hingegen erzeugt während seiner Supervisions- und Unterrichts­tätigkeit keinerlei Umsatz. Andererseits fördert die ­Tätigkeit in der Arztpraxis die Entwicklung von Gemeinschaftspraxen und von grösseren medizinischen Zentren. Dank diesen Betrieben lässt sich die ambulante Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte professionell gestalten.
Angesichts dieser Situation schlägt der CRMF vor, auf das Konzept der Subventionierung des Assistenzarzt-Lohnes zu verzichten und es durch die Finanzierung der Arbeit des Praktikumsbetreuers zu ersetzen, die dieser durch die Supervision, das Unterrichten und die Betreuung des Assistenzarztes erbringt. Der CRMF hält einen Pauschalbetrag von 60 000 CHF pro Jahr4 für die Ausbildung eines Assistenzarztes zu 100% für angemessen, dies insbesondere dann, wenn man die Entwicklung der Ausbildung von Hausärzten in Gemeinschaftspraxen fördert. Dieser Betrag entspricht der Entlöhnung des Praktikumsbetreuers für die Zeit, die er in den sich in Ausbildung befindenden Arzt investiert. Der Lohn des Assistenzarztes würde durch die ­geleistete Arbeit selber finanziert.
Der CRMF hält es für äusserst wünschenswert, eine Betreuung der Ausbildung in der Arztpraxis und mit Praktikumsbetreuern durch die universitären Institute der Hausarztmedizin einzuführen. Auf diese Weise liessen sich die Qualität und Kohärenz des Unterrichts und der geleisteten Ausbildung gewährleisten.
Der CRMF schlägt auch vor, auf die Beschränkung der kantonalen Unterstützung auf sechs Monate pro Arzt zu verzichten. Auf diese Weise liesse sich der Anteil der Ausbildung in der Arztpraxis erhöhen, die Spitalzen­triertheit abbauen, und die Kompetenzen in der ambulanten Medizin könnten erhöht werden.
Um diese Entwicklung zu unterstützen, schlägt der CRMF schliesslich vor, die kantonalen Budgets nach oben neu zu überprüfen, um dem zusätzlichen Bedarf zu entsprechen. Dieser entsteht durch den für die Ausbildung in der Arztpraxis aufgewendeten zusätzlichen Zeitaufwand.
Besonders in Randregionen gibt es immer weniger Hausärzte. Um den Nachwuchs im Bereich Hausarztmedizin zu fördern, wurden in allen Westschweizer Kantonen entsprechende Programme geschaffen.

Schlussfolgerung

Die gesxundheitlichen Bedürfnisse der Bevölkerung und die Entwicklung der Organisation des Gesundheitssystems haben zur Folge, dass die Ausbildung der Hausärzte angepasst werden muss. Diese muss vermehrt im ambulanten Bereich und insbesondere in den Arztpraxen stattfinden. Dazu schlägt der CRMF vor, den Stellenwert, die Betreuung und die Finanzie-rungsart der Praxisassistenz zu überdenken. Konkret geht es nicht darum, eine private Praxis zu finan­zieren, indem der Lohn des Assistenzarztes subven­tioniert wird, sondern die Unterrichts- und Supervi­sionstätigkeit des Praktikumsleiters angemessen zu entschädigen. Dies bedeutet einen echten Paradigmenwechsel.
Der Antrag bedingt eine Anpassung der kantonalen Reglemente zur Assistenz und der Budgets, um möglichst viele Praxisplätze anbieten zu können. Das Vorgehen sollte auch eine qualitative Verwendung der ­öffentlichen Gelder für die Ausbildung ermöglichen, indem die universitären Institute der Hausärzte ein­bezogen werden. Eine Qualitätsausbildung der Haus-ärzte führt zwangsläufig zu einer effizienten und qualitativ hochwertigen Notfallmedizin.
Diese Änderungen können zu einem grösseren Interesse für die Hausarztmedizin und einer besseren Qualität der Nachdiplomausbildung der künftigen Hausärzte beitragen und somit deren künftige Niederlassung fördern. Seit 2007 sind 330 der 510 Ärzte, die den CRMF konsultiert haben, frisch diplomiert. Bei den übrigen hat sich die Hälfte 6 Jahre nach dem Medizindiplom und 98% 9 Jahre nach Studienabschluss niedergelassen.
Cursus Romand de ­Médecine de Famille
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