Replik zum vorangehenden und den folgenden fünf Briefen

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2018/33
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2018.17020
Schweiz Ärzteztg. 2018;99(33):1057

Publiziert am 15.08.2018

Replik zum vorangehenden und 
zu den folgenden fünf Briefen

Es ist beruhigend, festzustellen, dass dieses Thema die Leserschaft mobilisiert, zumindest die Vertreter der Suizidbeihilfeorganisationen und deren Unterstützer. Schon allein die Tatsache, dass eine Debatte angestossen wurde, ist erfreulich, wenn sie auch manchmal sehr emotional geführt wird. Interes­santerweise gab es zu den zahlreichen unterstützenden Zuschriften von Berufskollegen, welche wir per E-Mail erhalten haben – von Allgemeinärzten, Onkologen, Palliativmedizinern oder Psychiatern –, bis auf eine Ausnahme keine Leserbriefe. Offensichtlich verspürt die schweigende Mehrheit nicht das gleiche Bedürfnis, so viele Menschen wie möglich anzusprechen, wie es die Suizidbeihilfeorganisationen tun.
Keines der kritischen Schreiben als Reaktion auf unseren Artikel beantwortet aber die zentrale drängende Frage, die sich aus den überarbeiteten Richtlinien der SAMW ergibt: Wie kann man ohne schuldhafte Zweideutigkeit erst das Supremat des Autonomieprinzips beteuern – «Unerträglichkeit kann nur vom Leidenden selbst als solche benannt und ihm nicht von anderen Personen zugeschrieben werden» (überarbeitete SAMW-Richtlinien, S. 11) –, nur um dann zu schliessen, dass dem Arzt das letzte Urteil darüber zukommt, ob die Bitte des Leidenden «vertretbar» ist (überarbeitete SAMW-Richtlinien, S. 27).
Diese Vorstellung kommt deutlich im Schreiben von Doktor Pierre Beck, dem Vizepräsidenten von Exit A.D.M.D., zum Ausdruck: «Das Leiden kann nur vom Patienten selbst bemessen werden, aber es ist die Aufgabe des Vertrauensarztes von EXIT, den Fall anhand der ihm vorgelegten Krankengeschichte zu prüfen und bei Zweifeln die Bitte abzuweisen.» Sie ­haben richtig gelesen: In dieser Situation entscheidet allein der Vertrauensarzt von Exit, nunmehr frei von allen objektiven Kriterien, über Leben und Tod des Patienten. Unserer Ansicht nach ist die Macht, die in einem ­solchen Fall dem Arzt übertragen wird, un­verhältnismässig – unabhängig davon, ob dieser einer Suizidbeihilfeorganisation angehört oder ob er in seiner Rolle als behandelnder Arzt agiert. Daher halten wir es für angemessen, dass die ärztliche Standesordnung objektive Kriterien vorsieht, welche die Macht des Arztes begrenzen.
Was die persönlichen Angriffe betrifft, die sich auf die Biographie der Autoren stützen, so verdienen diese keine Antwort. Wer uns kennt oder sich informiert hat, weiss genau, dass Bertrand Kiefer sich schon vor Jahrzehnten von der katholischen Doktrin in Sachen Bioethik distanziert hat und dass Philippe ­Ducor, der aus einer vor langer Zeit nach Genf geflohenen protestantischen Familie stammt, nicht im Ruf steht, papistische Thesen zu vertreten.