Alexis Carrel (1873–1944) wurde in den 1950er Jahren zum geistigen Vater islamistischer Gruppierungen. Carrel erhielt 1912 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie. Der in den USA forschende französische Chirurg war ein Wegbereiter moderner Gefässtechnik, ein Pionier der Herzchirurgie und Organverpflanzung. Als Sanitätsoffizier im Ersten Weltkrieg verbesserte er die Wundbehandlung, notabene mit Hilfe tüchtiger Krankenschwestern aus der Pflegerinnenschule La Source in Lausanne, die ihm sein Freund Theodor Kocher vermittelte. Einer breiten Öffentlichkeit wurde Carrel 1935 mit seinem Buch Man, the Unknown bekannt. Der Mensch, das unbekannte Wesen, in 19 Sprachen übersetzt und millionenfach bis in die 1950er Jahre verkauft. Bereits in der Vorrede spricht er von der Notwendigkeit, die industrielle Zivilisation über Bord zu werfen, um eine neue Form des menschlichen Fortschritts heraufzuführen. Ein Buch, das wissenschaftliche Entdeckungen, vor allem der Medizin und Physiologie, hervorragend beschreibt, die Annehmlichkeiten des technischen Alltags betont, um dann vehement die mangelnde Moral und Spiritualität einzufordern, die beim materiellen Streben zu kurz kämen. Die sittenlose Gesellschaft wird in den düstersten Farben geschildert, Folgen seien die rasante Zunahme der Geisteskranken und Minderwertigen und eine allgemeine Verkümmerung der Individualität. Das demokratische Prinzip habe den Zusammenbruch der Kultur mitverschuldet, indem es sich der Ausbildung einer Elite entgegenstellt, denn die Gleichheit der Rechte sei eine Illusion. Eine zukünftige medizinische, asketische Elite solle das Wissen vom Menschen vorantreiben, um den vom modernen Leben geschwächten und genormten Menschen in der Fülle seiner Persönlichkeit wiederherzustellen. Eugenik sei dazu da, die Tüchtigen und Gesunden vor degenerierten Elementen mit drastischen Eingriffen zu schützen. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges kehrte Carrel nach Frankreich zurück. Er wählte nicht de Gaulle, sondern Pétain. Vichy-Frankreich, dankbar für den prominenten Mitläufer, machte ihn zum Chef einer gut dotierten Stiftung für das Studium der Probleme des Menschen in Paris.