An der Kathedrale wurde fast hundert Jahre gebaut. Ein wehrhafter Bau auch im Inneren, wenn auch mit anderen Mitteln. Das mächtige Kirchenschiff endet in einer vieleckigen Apsis. Der filigran ziselierte Kalkstein des Lettners, eines Vorbaus zum grossen Chor, erinnert an eine Tropfsteinhöhle. Im Chorumgang ist das Personal des Alten Testamentes vereinigt: Jonas, Ezra, Hiob, Jesaja, Judith, Esther und David. Der grosse Chor ist ganz dem Neuen Testament gewidmet. Ein Gewölbe in Gold und Azur, über jedem Chorgestühl pausbäckige Engel. Maria, die zwölf Apostel, Spruchbänder mit den Artikeln des Glaubensbekenntnisses. Ein Wald aus Ranken und Arabesken, Evangelisten, Kirchenvätern, Parabeln und Legenden, so weit das Auge reicht. An allen Wänden, bis zur Kanzel und Orgel über dem Jüngsten Gericht, sind alle Flächen ausgenützt. Ein lückenloses Universum von Heiligen, überlieferten Geschichten, eine umfassende Selbstdarstellung der ecclesia triumphans. Im gewaltigen Kosmos einer scholastischen Gesamtschau scheint die Zeit stillgestanden. Dem nachgeborenen Besucher aus einem sehr fernen Jahrhundert wird es eng in dieser Welt. Statt aufgehoben fühlt er sich gefangen in einem engmaschigen Netz von Argumenten, aus dem es kein Entrinnen gibt. Alles gründet im Glauben, alles ist gesagt, für Neues ist kein Platz. «Dass der Erfolg der Menschen in der Übereinstimmung und der Gemeinsamkeit sei. Dass der Geist zur Bestimmung hat, die Materie und die Technik zu lenken und sie zum Jubeln zu bringen.» So steht es auf der letzten Seite der Basilika-Broschüre. Dem kann man zustimmen, auch wenn nicht klar ist, um welchen Geist es sich handeln soll.