Die vergessene Frage nach dem Sinn

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2020/14
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.18807
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(14):497

Publiziert am 31.03.2020

Die vergessene Frage nach dem Sinn

Angst hat sich überall ausgebreitet gegenüber einem unsichtbaren Feind Covid-19. Die Völker isolieren sich, und die Menschen schlies­sen sich in ihren Behausungen ein. Es ist nicht die erste Viruserkrankung, welche für die menschliche Gesundheit gefährlich ist. Dieser neue Virus scheint aber unberechenbarer als seine Vorgänger und eine Bedrohung für die ganze Zivilisation zu sein.
Der Einbruch des Corona-Virus in das Leben der Menschen hat eine andere Bedrohung ­beinahe in Vergessenheit gebracht, d.h. den Klimawandel. Auch andere existentielle Gefahren für die Menschheit, wie die unaufhaltsame Aufrüstung mit modernen Atomwaffen, sind in den Hintergrund getreten.
Die Nachrichten, die man zur Klimaent­wicklung erhält, müssten die Allgemeinheit schwer beunruhigen, werden aber grösstenteils ausgeblendet durch die Nachrichten vom Kampf gegen das Corona-Virus.
Wenn wir einen Augenblick innehalten, werden wir uns gewahr werden, dass die erwähnten Phänomene in einem innigen Zusammenhang miteinander stehen. An ihrer Wurzel befindet sich eine zerstörerische Energie, welche die Menschheit allgemein in ihrer Fortexistenz bedroht. Die menschliche Einsichtsfähigkeit wird überfordert trotz der gros­sen Fortschritte in der Erkenntnis über den Aufbau des Kosmos und der Quantentheorie, welche einen Zusammenhang zwischen allen Manifestationen der Natur postuliert.
Die heutige Krise, welche durch das Corona-Virus hervorgerufen worden ist, muss in einen grösseren Verständniszusammenhang gestellt werden: Der Mensch, selbst ein Teil der Natur, wird von der Natur umgeben, zu welcher er zu einer neuen Haltung aufgefordert wird. Untergangsphänomene in der Natur, welche durch das Fortschreiten der menschlichen Zivilisation verursacht worden sind, wie das Artensterben oder die Gletscherschmelze, können auf die gleichen Ursachen zurückgeführt werden wie die häufiger werdenden gefährlichen Viruserkrankungen und zuletzt das Corona-Virus. Der Ausbruch der Pandemie mit Covid-19 und die Folgen für die menschliche Zivilisation, die bis heute beobachtbar sind, sollten aufhorchen lassen. Die Staaten von Osten nach Westen isolieren sich, um menschliche Kontakte zu verhindern, und man geht so weit zu empfehlen, auf alles Sozialleben zu verzichten: Von einer Anhäufung von Menschen ist eine stärkere Vermehrung und Bedrohung durch Corona zu erwarten. Das Rezept im Kampf gegen Corona scheint in einer ersten Phase einfach zu sein, d.h. Abbau der menschlichen Beziehungen, d.h. weniger Mensch. Die gegenwärtige Pandemie gibt der Menschheit eine Lektion für ein angepasstes und nützliches Verhalten und sollte in diesem Sinn verstanden und auf die anderen Bedrohungsphänomene, insbesondere den Klimawandel, übertragen werden. Die unkontrollierte Vermehrung der Menschheit führt zur Zerstörung der Gleichgewichte in der Natur, welche für eine gesunde evolutive Entwicklung notwendig sind. Der Zerstörung dieser Gleichgewichte folgen zukünftige existentielle Bedrohungen für die Menschheit und ebenso die Entstehung krank­machender Keime in der Gegenwart. Die Menschen müssen heute wie morgen wieder etwas mehr ­auseinanderrücken und den Globus nicht mit menschlichen, pathogenen Ballungszentren übersäen. Wenn die heutige Pandemie und globale Krise in diesem Sinne verstanden würde, könnte die Menschheit dar­aus einen grossen Vorteil gewinnen und neue Hoffnung schöpfen auf eine harmonischer organisierte Welt.