Neue Zulassungsbestimmungen für Ärzte und Ärztinnen ab Juli 2021

FMH
Ausgabe
2020/2728
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.19040
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(2728):834-835

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Verantwortlicher Public Affairs

Publiziert am 30.06.2020

Nach fast zwanzig Jahren mit befristeten Zulassungsbeschränkungen im ambulanten Bereich ist eine neue, dauerhafte gesetzliche Grundlage für die Zulassung von Ärztinnen und Ärzten geschaffen worden. Die Gesetzesänderung wurde von den eidgenössischen Räten in der Sommersession verabschiedet. Sie tritt voraussichtlich auf den 1. Juli 2021 in Kraft. Der FMH ist es gelungen, in der parlamentarischen Beratung Qualitätskriterien zur Zulassungssteuerung ins Gesetz einzubringen.
Will eine Ärztin oder ein Arzt in der Schweiz eine ­Zulassung für eine ambulante Tätigkeit erhalten, muss mindestens eine dreijährige Tätigkeit im beantragten Fachgebiet an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte vorliegen. Neu ist, dass die Tätigkeit im beantragten Fachgebiet erfolgt sein muss.

Tätigkeit im beantragten Fachgebiet

Möchte eine Fachärztin in Kardiologie eine Zulassung als Kardiologin erhalten, so stehen ihr für die dreijährige ärztliche Tätigkeit nicht mehr wie heute alle über 4400 Weiterbildungsstätten zur Verfügung, sondern lediglich noch 60 (Stand: 11. Juni 2020). Die limitierte Verfügbarkeit von Stellen mit fachspezifischer Tätigkeit wird die Anzahl Zulassungen für einzelne Spezialdisziplinen begrenzen. Ein junger Arzt, der die Zulassung für die Allgemeine Innere Medizin anstrebt, hat mit 1675 Weiterbildungsstätten die umfassendste Auswahl.
FachgebietAnzahl WBS*
Allgemeine Innere Medizin1675
Handchirurgie  25
Kardiologie  60
Psychiatrie und Psychotherapie 417
Radiologie  43
Orthopädische Chirurgie  73
Total4498
* WBS = Weiterbildungsstätten.
(Quelle: Register der zertifizierten Weiterbildungsstätten, https://www.siwf-register.ch, 11. Juni 2020)
Die Kantone können über die Spitallisten und Leistungsaufträge Einfluss auf die Zulassung der Leistungserbringer im praxisambulanten Bereich nehmen.

Nachweis der Sprachkompetenz

Künftig muss als Voraussetzung für die Zulassung der Nachweis erbracht werden, dass die für die Tätigkeitsregion notwendige Sprachkompetenz vorliegt. Der Nachweis muss mittels einer in der Schweiz abgelegten Sprachprüfung erbracht werden.

Ausnahme von der Nachweispflicht

Ärzte und Ärztinnen sind von der Nachweispflicht befreit, wenn sie eine schweizerische gymnasiale Matu­rität absolviert haben, bei der die Amtssprache in der ­Tätigkeitsregion Grundlagenfach war. Grundlagenfach können gemäss der Maturitätsanerkennungsverordnung (MAV) die Erstsprache, eine zweite Landessprache und eine dritte Landessprache sein. Ständerat Pirmin Bischo­f interpretierte die Regelung als Berichterstatter der Kommission am 4. Dezember 2019 im Ständerat wie folgt: «Ihre Kommission war mehrheitlich der Meinung, … dass der Zürcher Arzt, der in Genf tätig sein will, keine Sprachprüfung ablegen muss.» National­rätin Ruth Humbel gab im Namen der Kommission am 3. März 2020 im Nationalrat folgende Erklärung ab: «Konkret bedeu­tet dies beispielsweise, dass ein Arzt mit einer Deutschschweizer Matura mit Prüfungsfach Französisch für die Zulassung zur Tätigkeit als Leistungserbringer in der Westschweiz keine Sprachprüfung ablegen muss, so wie ein Tessiner mit einer Tessiner Matur und Prüfungsfach Deutsch in der Deutschschweiz keine Sprachprüfung ­ablegen muss.» Dieser Interpretation schloss sich auch der zuständige Bundesrat am 3. März 2020 an. «Je me dois de préciser que nous sommes d’accord avec l’interprétation qui semble prévaloir, si j’ai bien compris, dans la commission, à savoir que lorsqu’un médecin a suivi une formation avec une maturité en Suisse, s’il a obtenu une maturité en allemand mais qu’il a passé un examen avec le français comme deuxième langue nationale, alors il doit aussi pouvoir s’installer dans la partie francophone du pays sans devoir faire un examen supplémentaire. Si, par contre, nous avons affaire par exemple à un étudiant francophone à Lausanne qui a passé ses examens avec comme deuxième langue l’allemand et pas l’italien, alors il pourra s’installer à Zurich sans examen de langue mais pas à Lug­ano. Si ce dernier veut s’installer à Lugano, il devra encore montrer qu’il a les compétences linguistiques nécessaires pour y pratiquer.»

Höchstzahlen, aber …

Die Kantone müssen künftig Höchstzahlen für alle Fachgebiete oder für bestimmte Fachgebiete fest­legen. Sie beachten die allgemeine Entwicklung des Beschäftigungsgrads der Ärztinnen und Ärzte. Die Kantone können je nach Region differenziert intervenieren. Sie müssen zumindest die Verbände der Leistungserbringer, der Versicherer und der Versicherten konsultieren. Die Höchstzahlen sind mit der neuen Regelung für alle Ärztinnen und Ärzte gültig, die im ambulanten Bereich in einer Praxis, in einer Einrichtung der ambulanten Krankenpflege durch Ärztinnen und Ärzte oder im ambulanten Bereich von Spitälern tätig sein möchten, was mit der alte­n Zulassungsbeschränkung nicht der Fall war.

… kein Beschwerderecht …

Gegen kantonale Erlasse über die Festlegung und Berechnung der Höchstzahlen steht den Versicherern kein Beschwerderecht zu. Damit wird die Bedeutung der Verpflichtung der Kantone, Höchstzahlen festzu­legen, relativiert.

… und kein Zwang

Neu können die Kantone – sie müssen aber nicht – jede weitere Zulassung in einem bestimmten medizinischen Fachgebiet sofort stoppen, unabhängig von den festgelegten Höchstzahlen. Steigen nämlich die jährlichen Kosten je versicherte Person in einem Fachgebiet in einem Kanton mehr als die jährlichen Kosten der anderen Fachgebiete im selben Kanton oder mehr als die jährlichen Kosten des gesamtschweizerischen Durchschnitts des betroffenen Fachgebiets, so kann der Kanton vorsehen, dass kein Arzt und keine Ärztin im betroffenen Fachgebiet eine Tätigkeit zulasten der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) neu aufnehmen kann.

Aufsicht der Krankenkassen

Die Kantone entscheiden darüber, ob ein Arzt oder eine Ärztin die Zulassungskriterien erfüllt. Sie werden neu also sowohl für die gesundheitspolizeiliche Zulassung als auch für die Zulassung zulasten der OKP zuständig sein. Wenn die Leistungserbringer von einem Kanton zugelassen sind und zulasten der Krankenversicherer tätig sein können, obliegt die Wirtschaftlichkeits- und Kosteneffizienzprüfung sowie die Qualitätssicherung den Versicherern.
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