Wie das SIWF auf die Herausforderungen von Corona reagierte

Notrecht in der Weiterbildung?

FMH
Ausgabe
2020/3132
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.19104
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(3132):924

Affiliations
Rechtsanwalt, Geschäftsführer des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF

Publiziert am 28.07.2020

Ein winziges Virus hat Einschränkungen des öffent­lichen Lebens in der Schweiz verursacht, wie dies seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr vorgekommen ist. Gestützt auf die Bundesverfassung darf der Bundesrat in Notsituationen auch ohne gesetzliche Grundlage in die Grundrechte und Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Dieses Notrecht gipfelte am 16. März im Lockdown, der das öffentliche Leben in der Schweiz weitgehend lahmlegte. Besonders betroffen war das ­Gesundheitswesen. Vor allem die stationären Einrichtungen wurden voll auf die Bewältigung eines Patientenansturms hin ausgerichtet, was zur Folge hatte, dass mindestens die Hälfte der Arztbesuche sowie der medizinischen Abklärungen und Behandlungen nicht mehr stattfinden konnte. Die Corona-Krise wird vorab in der Spitallandschaft Millionenschäden hinterlassen.
Auch die Bildungslandschaft Schweiz wurde von der Corona-Krise nicht verschont. Schulen und Universitäten mussten schliessen oder in kürzester Zeit von Präsenz- auf Fernunterricht umstellen. Der Föderalismus sorgte für einen kantonalen Flickenteppich, der be­sonders bei den Schulöffnungen und auch bei den Maturitätsprüfungen heftige Diskussionen auslöste.
Analog den bundesrätlichen Notverordnungen war auch das SIWF gezwungen, «Notstandregelungen» zu erlassen. Das SIWF musste angesichts von Hunderten von Anfragen rasch entscheiden, wie auf die ständig ändernden Umstände reagiert werden sollte. Die Herausforderung bestand darin, in 125 Fachge­bieten für ausfallende Prüfungen, annullierte obligatorische Kurse und andere Probleme Regelungen zu finden, welche den unterschiedlichen Situationen Rechnung tragen und die sich bei allen Titelanwärtern rechtsgleich anwenden lassen. Folgende Fallgruppen standen im Zentrum:
Absage/Verschiebung von Facharztprüfungen: Das SIWF hat die Prüfungsreglemente angepasst und u.a. Online-Prüfungen zugelassen. Ein Verzicht wie bei den Maturitätsprüfungen war keine Option. Die Funktion des Facharzttitels als Voraussetzung für die Berufsausübungsbewilligung verbietet die Schaffung eines Jahrgangs von «Corona-Ärzten».
Ausfall von Kursen/Kongressen: Das SIWF hat nach Rücksprache mit den Fachgesellschaften definiert, ­welche Veranstaltungen verzichtbar sind oder ersetzt werden können.
Kurzfristig geänderte Weiterbildungsperioden: Die französischsprachigen Kantone haben die Rotationen ihrer Assistenzärztinnen und Assistenzärzte vom 1. Mai auf den 1. Juli verschoben. Das SIWF hat eine grosszügige Regelung beschlossen, wonach die ursprünglich geplanten Perioden im SIWF-Zeugnis ausgewiesen werden dürfen, damit die Weiterbildung nicht unnötig verlängert wird.
Kurzarbeit: Wie unverschuldete Abwesenheiten aus Gründen von Krankheit und Unfall darf Kurzarbeit bis zu 8 Wochen pro Jahr als Weiterbildung angerechnet werden.
Auch für die Fortbildung hat das SIWF angesichts der vielen ausgefallenen Veranstaltungen eine Lösung gefunden: Alle fortbildungspflichtigen Ärztinnen und Ärzte haben auf der SIWF-Fortbildungsplattform für das Jahr 2020 automatisch eine «Covid-19 Gutschrift» im Umfang von 25 Credits erhalten.
Heute dürfen wir feststellen, dass sich die grosszügigen und wohldosierten Spezialregelungen bewährt ­haben. Die unbürokratische Umsetzung ist nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, dass das SIWF als vom Bund akkreditierte Institution allein für die Regu­lierung der ärztlichen Weiterbildung in der ganzen Schweiz verantwortlich ist. Im Gegensatz zu den meisten anderen föderal geregelten Bildungsbereichen sind kantonale Flickenteppiche in der ärztlichen Weiterbildung glücklicherweise ausgeschlossen. Das kleine, aber hocheffektive Virus hat den Mitarbeitenden des SIWF zwar einen ausserordentlichen Arbeitseinsatz ­abverlangt. Gleichzeitig hat es aber auch gezeigt, dass das SIWF in Notsituationen handlungsfähig bleibt und rasch pragmatische Lösungen findet.

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