Soziologische Professionalisierungstheorie beschäftigt sich mit der Frage, wie Wissenschaft in klientenbezogenen Berufen zur Anwendung kommt: Ärztinnen können und sollen ihre Expertise, anders als in technischen Berufen, nie nur standardisiert anwenden. Immer geht es um konkrete Menschen mit einer Vorgeschichte, einem eigenen Willen, einem spezifischen Umgang mit Gesundheit und Krankheit, einem Milieu, in dem sie leben. Ein erfahrener Arzt erfasst diese Komplexität und lässt sie in Diagnose und Therapie einfliessen – so, dass die Patientin vertrauen kann, dass er dasjenige vorschlägt, was für sie – vermutlich – am geeignetsten ist. Dieses Vorgehen, das nicht vorschnell subsumiert, sondern sorgfältig evaluiert, was in welchem Fall sinnvoll ist, erfordert in der Berufsausübung ein gewisses Mass an Autonomie anstelle einschränkender Vorgaben. Dass dies notwendig ist, damit das Gesundheitswesen angemessen funktionieren kann, wird bei gesundheitspolitischen Entscheiden oft übersehen, konkret dann, wenn vorwiegend entweder Marktmechanismen oder bürokratische Kontrolle ärztliches Handeln bestimmen soll. Beide Arten der «Steuerung» werden der inneren Logik der Tätigkeit nicht gerecht, denn sie suggerieren, je auf ihre Weise, Messbarkeit von nicht Messbarem, sei es durch restriktive Vorgaben, technokratische Evaluation oder durch Reduktion komplexer Vorgänge auf ein marktkonformes Produkt.