Grundlagenpapier der DDQ/SAQM

Zertifizierungen zur Stärkung der Qualität in der Medizin

FMH
Ausgabe
2020/42
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.19221
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(42):1132-1341

Affiliations
a Dr. sc., ETH Zürich, Abteilung DDQ; b lic. rer. oec., Leiterin Abteilung DDQ; c Dr. med., Vizepräsident der FMH, Departementsverantwortlicher DDQ/SAQM

Publiziert am 13.10.2020

Die Abteilung Daten, Demographie und Qualität (DDQ) der FMH erstellt, basierend auf wissenschaftlicher Literatur, Grundlagenpapiere zu verschiedenen Qualitätsthemen, die in der Schweizerischen Ärztezeitung veröffentlicht werden. Die FMH nimmt auf der Basis der erarbeiteten Grundlagen mit dem Dokument «Die Position des FMH-Zentralvorstands» öffentlich Stellung zum Thema. Nachfolgend werden das Grund­lagenpapier sowie die Position des FMH-Zentralvorstands zum Thema «Zertifizierungen» präsentiert.
Zertifizierungsverfahren können die systematische und kontinuierliche Verbesserung der Versorgungsqualität und der Patientensicherheit fördern. Die Bedeutung von Zertifizierungen nimmt aufgrund der zunehmenden Komplexität der Gesundheitsversorgung zu. Sie schaffen Transparenz bezüglich einzuhaltender Standards, helfen Redundanzen zu vermindern, Prozesse zu verbessern und damit Ressourcen zu sparen. Die normative Grundlage eines Zertifi­zierungsverfahrens (Qualitätsindikatoren/-kriterien) soll valid, evidenzbasiert und patientenzentriert sein. Weitere Forschung zu den Auswirkungen von Zertifizierungen auf den direkten Patientennutzen und die Kosten-Nutzen-Relation von Zertifizierungsverfahren ist notwendig.

WAS IST BEREITS BEKANNT ZU DIESER THEMATIK?

Zertifizierungen werden international verwendet, um die Versorgungsqualität zu beurteilen und die Patientensicherheit zu gewährleisten.
Positive Einflüsse von Zertifizierungen auf die Prozess- und Strukturqualität (z.B. Patientenversorgung, Qualitätssicherung) konnten mehrfach nachgewiesen werden.
Die Datenlage zum Nutzen von Zertifizierungen auf die Ergebnisqualität wie Mortalität, Spitalaufenthalt, Wiedereintritte etc. zeigte in den vergangenen Jahren ein uneinheitliches Bild.
Die Forschung zur Relevanz von Zertifizierungen auf die Ergebnisqualität wurde in den vergangenen 10 Jahren intensiviert.

WAS TRÄGT DIESER BERICHT ZUR THEMATIK BEI?

Diese Übersicht fasst die aktuellen Erkenntnisse zur Relevanz, zu den Stärken und Schwächen von Zertifizierungen zusammen.
Die notwendigen Voraussetzungen werden aufgezeigt, damit sich Zertifizierungen als wirksames Instrument zur Förderung der Qualität in der Medizin bewähren.
Der Bericht bietet medizinischen Fachgesellschaften Orientierung zum Thema Zertifizierungen.

1. Hintergrund

Zertifizierungsverfahren in der Gesundheitsversorgung sind generell bekannt als formaler Prozess, bei dem eine externe Institution ermittelt, ob eine Gesundheitseinrichtung die zutreffenden, vorbestimmten und etablierten Standards erfüllt [1, 2]. Die ersten offiziellen Zertifizierungsverfahren entstanden um 1950 in den USA, und ab 1970 hat die Verbreitung auch in Europa markant zugenommen. In über 70 Ländern [3] werden Zertifizierungen angewendet. Allein in den USA gibt es mehr als 80 Zertifizierungsprogramme [4].
Eines der Hauptziele von Zertifizierungen ist die systematische und kontinuierliche Verbesserung der Versorgungsqualität und der Patientensicherheit [5–8]. Der Mehrwert einer Zertifizierung in der stationären und ambulanten Versorgung ist vor allem in der Prozess- und Strukturqualität1 durch standardisierte, effek­tive und effiziente Abläufe und Strukturen nach­gewiesen [9–12].
Unsicher ist, ob Zertifizierungen einen Einfluss auf die Patientenoutcomes (Ergebnisqualität) haben. Studien aus den vergangenen Jahren kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen [3, 10, 13–17]. Durch gezielte Forschung verdichten sich jedoch die Hinweise, dass Zertifizierungen die Ergebnisqualität positiv beeinflussen können [18, 19].
Unter welchen Voraussetzungen dienen Zertifizierungen als wirksames Instrument zur Förderung der Qualität in der Medizin? Welchen Beitrag leisten Zertifizierungen bei der Forderung nach mehr Transparenz? Dieses Grundlagenpapier bietet eine Übersicht zu der Thematik Zertifizierungen und inwiefern diese zur Verbesserung der Qualität in der Medizin beitragen könnten, wo Handlungsbedarf besteht und wohin der Weg in Zukunft führen könnte.

2. Was ist eine Zertifizierung?

Die Begriffe Zertifizierung und Akkreditierung werden international uneinheitlich verwendet.2 In diesem Bericht wird unter Zertifizierung Folgendes verstanden: ein Verfahren, in dem ein (unparteiischer) Dritter schriftlich bestätigt, dass ein Produkt, Prozess oder eine Dienstleistung mit festgelegten Anforderungen konform ist (aus DIN EN 45020:1998-07). Ein Zertifikat, Label oder Gütesiegel ist der nach aussen gezeigte Nachweis einer erfolgten Zertifizierung bzw. dass die Standards und Vorgaben eingehalten werden. Es gibt eine grosse Bandbreite von Zertifizierungen (krankheitsspezifisch oder unspezifisch, prozess- oder patientenorientiert etc.). Zertifizierungen können als ein Instru­ment zur kontinuierlichen und systematischen Qualitätssicherung und Qualitätsförderung betrachtet werden (Abb. 1).
Abbildung 1: Ablauf eines möglichen Zertifizierungsverfahrens.
Um normative Grundlagen für das Beurteilungsverfahren zu erstellen, muss vorher definiert und kontextualisiert werden, was gute Qualität ist. Die Definition der Qualitätsindikatoren/-kriterien sollte aufgrund wissenschaftlicher Standards erfolgen und auf einem breiten fachlichen Konsens mit Einbezug der medizinischen Fachgesellschaften beruhen. Mögliche Bereiche und Unterbereiche sind in Abbildung 2 aufgeführt. Die Unterbereiche enthalten schliesslich die konkreten Fragen/Anforderungen (nicht in Abb. 2) zu den Qualitäts­indikatoren/-kriterien, welche die Grundlage für die Beurteilung bilden. Beispielswei­se ist die systematische Blutdruckkontrolle bei Hypertonie-Patienten ein Qualitätsindikator, und die Anforderung ist, dass bei 90% der Hypertoniker in den vergangenen 12 Monaten mindestens einmal der Blutdruck gemessen wurde. Überprüft wird dies anhand des Patientenregisters (Beispiel von EQUAM: Zertifizierung der Behandlungsqualität bei arterieller Hypertonie).
Abbildung 2: Ein Beispiel von Bereichen und Unterbereichen einer Zertifizierung (in Anlehnung an das European-Practice- ­Assessment-Modell für Grundversorgerpraxen).

3. Wieso braucht es Zertifizierungen?

Mit der Entwicklung neuer Technologien, zunehmender Interdisziplinarität und -professionalität sowie den steigenden Herausforderungen der Polymorbidität nimmt die Komplexität der Gesundheitsversorgung zu [20–23]. Mit dem Erfüllen von Anforderungen im Rahmen einer Zertifizierung werden Standards eingehalten [20]. Medizinische Leistungen können zu jeder Zeit und an jedem Ort mit der gleichen Qualität und reproduzierbar erbracht werden. Die Standards zielen darauf hin, Unterschiede in der Versorgung zu reduzieren, die Patientensicherheit sicherzustellen und eine hohe Versorgungsqualität zu erreichen.
Die Forderung nach Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen hat in den letzten Jahren zugenommen. Zertifizierungen dienen als Instrumente, um kosteneffektive Gesundheitsleistungen zu erbringen [24]. Sie schaffen Transparenz in einzu­haltenden Standards, helfen Redundanzen zu vermindern, Prozesse zu verbessern und damit Ressourcen zu sparen [20, 25, 26].

4. Was ist der Nutzen von Zertifizierungen?

Zertifizierungen sind nützlich, um Standardprozesse und Rollenverteilungen klar und transparent zu definieren. Die Aussensicht durch die externen Reviewer helfen Verbesserungspotenzial aufzudecken und somit auch Veränderungen von Strukturen und Prozesse einzuleiten (z.B. kürzere Wartzeiten durch effizientere Praxisorganisation) und eine Qualitätskultur im Sinne einer stetigen Verbesserungskultur zu implementieren [23, 27, 28].
Zertifizierungen können einen positiven Einfluss auf die Patientensicherheit haben [17, 29–31], z.B. durch die Implementierung und das Monitoring von Präven­tionsmassnahmen [7, 32, 33]. Untersuchungen zum Einfluss von Zertifizierungen auf Patientenoutcomes ergaben inkonsistente Ergebnisse [14, 15]. In Anbetracht des grossen personellen und finanziellen Aufwands einer Zertifizierung verstärkte sich die Forderung nach gezielter Forschung zur Evidenz von Zertifizierungen auf den Patientennutzen [4]. Basierend auf Registerdaten mehren sich mittlerweile die Hinweise, dass Zertifizierungen auch die Patientenoutcomes positiv beeinflussen [34–36]. Beispielsweise in der bariatrischen Chirurgie weisen zertifizierte Spitäler eine tiefere Mortalitäts- und Komplikationsrate, kürzere Spitalaufenthalte und weniger Wiedereintritte auf [19, 30, 37].
Auch bei Hirnschlag, Herzversagen und -infarkt, Pneumonie, Hüftfraktur etc. führten Zertifizierungen zu tieferen Mortalitätsraten [10, 38–42].
Weitere Vorteile werden in Zusammenhang mit Zertifizierungen gebracht (Factsheet Benefits of Joint Commission Accreditation; https://www.jointcommission.org/). Beispielsweise kann eine Zertifizierung eine Organisa­tionskultur und Organisationsführung prägen und die Möglichkeit bieten, Werte zu pflegen und gewünschte Verhaltensnormen zu fördern. Der Austausch zwischen verschiedenen Berufsdisziplinen und Abteilungen, das gemeinsame Lernen und das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Erfassung von Daten/Informationen werden gefördert [1, 3]. Die Erkenntnisse und Rückmeldungen aus dem Zertifizierungsverfahren werden eingesetzt, um das eigene Verbesserungspotenzial zu identifizieren und sich mit anderen Institutionen zu vergleichen. Nicht zuletzt dienen Zertifizierungen dazu, um nach aus­sen zu zeigen, dass sich die Institution verpflichtet, etablierte Qualitätsanforderungen einzuhalten und ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern [26, 38, 43–46].

5. Wo liegen die Schwächen und Grenzen von Zertifizierungen?

Die Qualität von Zertifizierungen ist variabel. Es gibt Anbieter von Zertifizierungen/Labels, die nicht transparent aufzeigen, auf welcher wissenschaftlichen Basis die Qualitätskriterien beruhen, und die Qualitätsrelevanz nicht nachvollziehbar darlegen [43].
Die unterschiedlichen Ergebnisse zum Nutzen von Zertifizierungen auf Patientenoutcomes hängen auch mit der Schwierigkeit zusammen, die Kausalität von Zertifizierungen auf den Patientennutzen nachzuweisen [2, 13–15, 25, 43, 47, 48]. Zahlreiche Einflussfaktoren und Massnahmen, welche im Prozess miteinander agieren, erschweren die Messung des Nutzens von Zertifizierungsverfahren [2].
Zur Unsicherheit des Patientennutzens kommt hinzu, dass die Kosten-Nutzen-Relation von Zertifizierungsverfahren nicht ausreichend evaluiert ist [6, 43]. Grace Moe et al. 2019 [27] haben die Einführungskosten eines Zertifizierungsprogramms von einer Gesundheitseinrichtung beziffert und zeigen, dass 95% der Kosten Personalaufwand ist (davon sind 76% ­Dokumentvorbereitung). Die totalen Kosten für die erstmalige Zertifizierung betrugen 158 000 bis 214 000 Dollar und hingen hauptsächlich von der Praxisgrösse oder der Spitalgrösse ab. Staines et al. 2000 [26] beziffern die Entwicklung und Implementierung ­eines Qualitätssystems in eine­m mittelgrossen Schweizer Regionalspital, das dem ISO-9001-Standard entsprach, auf CHF 120 000.
Zertifizierungsverfahren bedeuten eine Zusatzbelastung für das Personal [34]. Der administrative Aufwand nimmt während dieser Zeit zu, reduziert die Zeit für die Patienten und kann vom Fokus auf die klinischen Aufgaben/Ziele ablenken [9, 13, 27].
Eine Studie aus Dänemark zeigt, dass Spitäler zwar ihre Versorgungsqualität (104 Standards zur Organisation, zu Patientenpfaden, zur spezifischen Erkrankung) mit einer Zertifizierung verbessern können, diese Verbesserungskurve aber mit der Zeit abflachte, sobald ein bestimmtes Niveau erreicht ist [38]. Auch ist nicht eindeutig nachgewiesen, dass eine Zertifizierung mit der Patientenzufriedenheit korreliert [11, 49].

6. Ausgewählte Beispiele aus der Schweiz

Die Zertifizierungskommission Intensivstationen der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin beurteilt in einem hochstrukturierten Prozess, ob die Ressourcen (Personal, Ausrüstung, Gebäude und Einrichtung), Strukturen sowie die Organisation einer ­Intensivstation den modernen Anforderungen an die Intensivmedizin entsprechen. Die Zertifizierung ist eine Voraussetzung für die Anerkennung von Intensivstationen und besteht bereits seit 1976. Die Erhebung des minimalen Datensatzes der SGI (MDSi) ist obligatorisch für die 90 anerkannten Intensivstationen.
Hirnschlagpatienten, die in Stroke Units nach strukturierten Behandlungsrichtlinien behandelt werden, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, zu überleben und ihre Selbständigkeit wiederzuerlangen (SFCNS Concept). 2012 hat die Swiss Federation of Clinical Neuro-Societies (SFCNS) im Rahmen der hochspezia­lisierten Behandlung von Hirnschlägen ein Zertifizierungsverfahren für Stroke Units / Centers3 entwickelt. Diese Zertifizierung trägt zur Qualitätssicherung bei und gilt als Voraussetzung für die Aufnahme auf die HSM-Spitalliste bzw. zur Durchführung von komplexen Behandlungen bei Hirnschlag.
Die Krebsliga zeichnet Brustzentren (Qualitätslabel für Brustzentren) aus, die bei der Behandlung und der Betreuung von Frauen mit Brustkrebs einen Katalog von klar definierten Kriterien erfüllen. Das Qualitätslabel schafft mehr Transparenz und reduziert regionale Unterschiede bei der Versorgung von Frauen mit Brustkrebs in der Schweiz.
Die Stiftung SanaCERT zertifiziert unter anderem Qualitätsmanagementsysteme von Spitälern und Kliniken. Auditoren und Auditorinnen beurteilen, inwieweit die Qualitätsstandards erfüllt sind und wo das Soll nicht erreicht ist. Das Auditteam formuliert bei Nichtkonformität mit den Standards präzise Auflagen und Empfehlungen. Im Weiteren führt SanaCERT Suis­se, als unabhängige Stelle, Audits im Auftrag von Organisationen (wie Krebsliga Schweiz, SFCNS, palliative ch, Swiss Cancer Network) oder von kantonalen Behörden durch.
Die Stiftung EQUAM zertifiziert Arztpraxen und Zentren auf Basis der Indikatoren des European Practice Assessment. Die EQUAM Stiftung begleitet Gesundheitsprofis, misst und zertifiziert ihre Qualität. Das Zertifizierungsset besteht aus Indikatoren und Standards der Struktur- und Prozessqualität und wird ergänzt mit Indikatoren aus der Performance- und Outcome-Qualität.
Informationen zu weiteren Zertifizierungen, die in der Schweiz existieren, sind in einer einheitlichen Struktur auf der der Website der FMH unter Online-Plattform für Qualitätsinitiativen in der der Medizin dokumentiert (die Liste ist nicht abschliessend).
Eine Analyse der SAQM-Inventarerhebung hat ergeben, dass die Qualitätsaktivitäten der Ärzteorgani­sationen zunehmen und Zertifizierungen/Qualitäts­managementsysteme von 55% der Fachgesellschaften und kantonalen Ärzteorganisation empfohlen werden. 22% der Ärzteorganisationen haben selbst ein Zerti­fikat oder Qualitätslabel entwickelt [50].

7. Wohin führt der Weg?

Zertifizierungen können Verbesserungspotenzial aufzeigen, sind jedoch mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden. Damit möglichst qualitativ hochstehende Zertifizierungen genutzt werden, sind verschiedene Aspekte zu beachten.

7.1 Anforderung an Zertifizierung/Entwicklung

Das Ziel und die Bedeutung einer Zertifizierung müssen klar beschrieben sein. Eine Zertifizierung soll den Empfehlungen «Zertifizierung im medizinischen Kontext» der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften und den Grundprinzipien von The International Society for Quality in Health Care (ISQua) (Tab. 1) entsprechen. Die Standards sind evidenzbasiert, stützen sich auf aktuelle Guidelines und decken Variabilität in der Versorgungsqualität auf. Besonderes Augenmerk liegt auf der Patientensicherheit, dem starken Einbezug der Patienten, der nachhaltigen Zusammenarbeit aller Beteiligten und auf der Kontinuität der Versorgung (z.B. das Verfahren ist interdisziplinär und interprofessionell) [25, 51].
Tabelle 1: ISAQua-Grundprinzipien für die Entwicklung, die Messung, die Struktur und den Inhalt von Standards.
Entwicklung der StandardsDie Standards sind anhand eines definierten Prozesses geplant, entwickelt und evaluiert.
Messung der StandardsDie Gesundheitseinrichtungen und Reviewer verwenden eine transparente Mess- und ­Bewertungsmethode, um die Zielerreichung zu beurteilen.
Organisatorische Rolle, Planung und LeistungsfähigkeitDie Standards beurteilen die Kapazität und die Effizienz einer Gesundheitsorganisation.
Sicherheit und RisikoDie Standards beinhalten Prozesse, um das Risiko zu handhaben, und zum Schutz der Sicherheit von Patienten/Leistungsnehmern, Mitarbeitenden und Besuchern.
Personenzentrierter AnsatzDie Standards sind personenzentriert, spiegeln die Kontinuität der Versorgung und ermutigen die Zusammenarbeit zwischen Patienten/Leistungsnehmern und dem Fachpersonal.
QualitätsleistungDie Standards verlangen von den Gesundheitseinrichtungen, dass die Qualität der Leistungen evaluiert, monitorisiert und verbessert wird.
ISQua Guidelines and Principles for the Development of Health and Social Care Standards 2018, 5th Edition.
Es gibt ein transparentes und definiertes System, wie die Ergebnisse zur Einhaltung der Standards gemessen werden. Die erhobenen Daten werden analysiert und dazu verwendet, die Standards zu verbessern (Feedbacksystem).

7.2 Implementierung

Untersuchungen zeigen, dass Vorgesetzte und Mitarbeitende einer Gesundheitseinrichtung gegenüber Zertifizierungsverfahren grundsätzlich positiv eingestellt sind [23]. Um den Zusatzaufwand von Zertifizierungsverfahren möglichst gering zu halten, sollen diese mit den Behandlungsprozessen abgestimmt sein [6, 22].
Hinchcliff et al. 2013 [14] identifizierten unter anderem folgende Faktoren für die erfolgreiche Implementierung eines Zertifizierungsverfahrens: Das Zertifizierungs­programm ist gemeinschaftlich, valide und basiert auf relevanten Standards; Gesundheitsfachpersonen sind gegenüber der Zertifizierung positiv eingestellt, das Zertifizierungsprogramm ist mit anderen regulatorischen Vorgaben abgestimmt und wird durch entsprechende Anreize unterstützt.
Verschiedene Abstufungen von Zertifizierungsmodulen können den Einstieg für eine Gesundheitseinrichtung vereinfachen [22]. Das Beispiel des «Hernien Center Programm» sieht drei Stufen vor: 1. Teilnahme am Register, die eigenen Resultate werden gegen Daten von anderen verglichen (Benchmark). 2. Das Kompetenzzentrum sichert die Erfüllung von strukturellen und klinischen Vorgaben sowie eine bestimmte Mindestfallzahl. 3. Das Referenzzentrum erfüllt die Vorgaben des Kompetenzzentrums und weist zusätzlich Aktivitäten in der Forschung und Aus- und Weiterbildung von Chirurgen aus [22].
Ein Beispiel, das ausdrücklich auf den Patientennutzen ausgerichtet ist, ist das Modell des American Board of Inter­nal Medicine (ABIM), wo Krankenakten auditiert werden. Diese werden zusammen mit einem Patienten­fragebogen und einem Fragebogen zum Praxissystem eingereicht. Der Arzt / die Ärztin erhält einen ausführlichen Bericht mit möglichen Verbesserungsmassnahmen [52].

7.3 Outcome- und Versorgungsforschung

Die Forschung zu den Auswirkungen von Zertifizierungen auf die Gesundheitsversorgung und dazu, was tatsächlich bei den Patienten ankommt, ist unerlässlich [53, 54]. Es braucht auch mehr Erkenntnisse zu den ökonomischen Aspekten und zum Nutzen von Zertifizierungen im Vergleich zu anderen Qualitätssicherungsmassnahmen [13, 54, 55]. Für die Datenerhebung sind validierte Qualitätsindikatoren entscheidend. Medizinische Register [22] eignen sich besonders für die Erfassung der Daten. Anhand dieser kann beispielsweise gezei­gt werden, dass evidenzbasierte Guidelines implementiert sind, oder es ist anhand der Registerdaten möglich herauszufinden, welche Komponenten der Zertifizierung zur besseren Patientensicherheit führen [13]. Besonders entscheidend ist, dass sowohl positive als auch negative Ergebnisse publiziert werden.

7.4 Relevanz und Sicht der Stakeholder

Die Bedeutung der Behandlungsqualität und Patienten­sicherheit im Gesundheitswesen ist in den vergangenen Jahren gestiegen, nicht zuletzt auch aufgrund der Forderung nach mehr Transparenz für die Öffentlichkeit. Zertifizierungen zeichnen sich durch eine hohe Verbindlichkeit aus [20] und decken umfangreiche Aspekte der Versorgung ab. Sie können beispielsweise Gesundheitseinrichtungen dabei unterstützen, spezifische Behandlungspfade zu implementieren, die Compliance mit definierten Guidelines zu erreichen oder valide Daten zu erheben. Die Date­n und die Aussensicht können genutzt werden, um Verbesserungen einzuleiten (Zertifizierungen als Instrument für ein «Lernendes Gesundheitssystem»).
In der Schweiz bestehen beträchtliche Unterschiede zwischen Bestimmungen, Regulierungen, Indikatoren, Anreizen, Finanzierungssystemen und Qualitätssicherungsmechanismen [55]. Die Transparenz zur Qualität der Gesundheitsversorgung und zu den gesundheitsbezogenen Kosten wird auch aus Patientensicht immer wichtiger, um die wachsenden Zahlen von Patientinnen und Patienten mit chronischen Mehrfacherkrankungen zu bewältigen. Gefragt sind Programme und Rahmenbedingungen (z.B. bezüglich Gewährung des Datenschutzes), welche die relevanten und bestehenden Datenbanken und Behandlungspfade zwischen Spitälern und Grundversorgung, zwischen somatischer und psychiatrischer Versorgung und zwischen Spitalversorgung, stationärer Langzeitpflege und häuslicher Pflege vernetzen [55].

8. Fazit

Zertifizierungen sind Instrumente, die einen wichtigen Beitrag zur Transparenz und zur Stärkung der Qualität und Qualitätsentwicklung in der Medizin leisten. Wichtig ist, dass die Qualitätsindikatoren nachweislich einen Nutzen für die Patienten bringen. Der Nutzen und das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Zertifizierungen müssen laufend überprüft und wenn nötig angepasst werden, getreu dem gesetzlich geforderten WZW-Prinzip (wirksam, zweckmässig, wirtschaftlich). Die Zertifizierung muss den Bedürfnissen der Gesundheitseinrichtungen entsprechen, und der administrative Aufwand darf nicht zu Lasten der Patientenversorgung anfallen.
FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte
Abteilung DDQ
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