Diversität oder Gemeinsamkeit

Zu guter Letzt
Ausgabe
2021/48
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.20330
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(48):1636

Affiliations
Dr. med., Stadtarzt Zürich, Vorstand Verein der Leitenden Spitalärzte der Schweiz (VLSS), Redaktionsmitglied

Publiziert am 30.11.2021

Es ist die Zeit gekommen, wo uns in den Fluren wieder aus jeder Wohnungverschiedene Düfte verwöhnen. Die Familien beginnen mit den Vorbereitungen für die Festtage – dazu gehört bei manchen auch das «Guetzlibacken». Diese Tradition wird und wurde auch in meiner Familie gelebt. Es zeigte sich früh, dass die Unmengen an Weihnachtsgebäck meist nur bis kurz nach dem Fest reichten – und zwar nur die gut versteckten.
Interessant und bereichernd ist der Austausch der «Guetzli» mit den Nachbarn und Freunden respektive innerhalb der Familie. Beispielsweise für «Vanillekipferl» gibt es so viele verschiedene Rezepte – so viele Nuancen, die sie interessant und schmackhaft machen.
Meiner Grossmutter ist zu verdanken, dass wir es als Kinder noch erleben durften, wie ein Stollen gebacken wird. Mein Versuch vor zwei Jahren hatte ihr ein «wohlwollend-stolzes» Lächeln entlockt – ich habe hier wohl noch Potenzial.
Mit etwas Fantasie kann man die Grundmischung der Ärzteschaft als das «Studium der Humanmedizin» ­sehen und die diversen Nuancen als die späteren fachspezifischen Weiterbildungen. Es ist wichtig, sich in diversen Gebieten weiterzubilden, Spezialistin oder Spe­zialist zu werden und sich voneinander abzuheben.
Dies können wir teilweise besonders gut − jeder schaut auf seinen kleinen eingezäunten Garten und achtet ­darauf, dass dieser nicht beschädigt wird.
Wenige verfügen oder nutzen ihre Kompetenz, den Austausch zu suchen und über den eigenen Gartenhag hinauszuschauen. Doch gerade in der aktuellen Zeit – und damit meine ich explizit auch vor der Pandemie – wäre es aus meiner Sicht sinnvoll, dass die Ärzteschaft geeint auftritt und sich nicht in Partikularinteressen verliert. Wir haben diverse Herausforderungen – alle aufzuzählen würde den Rahmen sprengen. 
Wir haben es in meinen Augen noch immer nicht ­geschafft, flächendeckend attraktive Arbeitsbedingungen für junge Kolleginnen und Kollegen im stationären Bereich zu schaffen. Es gibt Fortschritte und gute Beispiele – doch auch dieses Jahr musste ich einen ­Kollegen wiederholt in einem Spital empfehlen, da er «nur» 80 Prozent arbeiten wird. Es darf nicht vergessen werden, dass wir uns trotz aller Herausforderungen, die es mit sich bringt, im stationären Setting eine Teilzeitanstellung zu realisieren, mit dieser fehlenden Anpassung unsere eigene Zukunft und Nachfolgerinnen und Nachfolger nehmen.
Immer wieder führe ich Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen, die nach zwei oder drei Jahren ihre Ausbildung sistieren wollen, da neben einer fehlenden Teilzeitanstellung auch die Arbeitszeiten ein erträg­liches Mass – das vertraglich vereinbarte – deutlich überschreiten. Die Bedürfnisse einer neuen Generation – unserer Nachfolgerinnen und Nachfolger – können nicht an unseren damaligen gemessen werden. Wenig hilfreich erscheint mir der Verweis von uns «Älteren», dass es bereits bei uns so gewesen sei, warum sollte es jetzt anders sein. Sollten wir nicht vielmehr den veränderten Bedürfnissen unseres Nachwuchses Rechnung tragen, um die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten  zu sichern?
Die (gemeinsame oder geeinte) Aussenwirkung der Ärzteschaft hat in meinen Augen ebenfalls noch viel Potenzial. Nur geeint – egal ob ambulant oder stationär tätig, ob angestellt oder selbständig – haben wir die Kraft, unsere Forderungen gegenüber diversen Playern im Gesundheitswesen und anderen externen Disziplinen durchzusetzen. Vielleicht braucht es hierzu Anpassungen der aktuellen Strukturen.
Auch hier darf über den eigenen Gartenzaun geschaut werden und für die grosse Sache und nicht nur den ­eigenen Garten und Erhalt geschaut werden. Es gibt in der Schweiz diverse Beispiele anderer Berufsgruppen, denen eine Einheit gelungen ist. Auch in benachbarten Ländern treten unsere Kolleginnen und Kollegen geeinter auf.
Eine in vielen Punkten geeintere Ärzteschaft – mit ­Nuancen – kann sich eine deutlichere Stimme in der Innen- und Aussenwahrnehmung verschaffen.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Liebsten frohe Festtage.  
daniel.schroepfer[at]
zuerich.ch