Die Mitmachpatienten

Praxistipp
Ausgabe
2023/0102
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21325
Schweiz Ärzteztg. 2023;103(0102):80-81

Publiziert am 11.01.2023

Arzt-Patienten-Kommunikation Wenn unsere Patientinnen und Patienten nicht handeln, wie wir es gerne hätten, ist das ein guter Grund für den Einsatz professioneller Kommunikation. Wie sie gelingen kann und wo Ärztinnen und Ärzte Hilfe finden.
Fachpersonen im Gesundheitswesen haben häufig die Aufgabe, Empfehlungen abzugeben, wie Betroffene sich verhalten sollten. Das reicht von der Medikamenteneinnahme über die Anregung, sich mehr zu bewegen, bis zu der dringlichen Bitte, nach dem gerade noch erfolgreich entfernten Plattenepithelkarzinom in der Mundhöhle mit dem Rauchen aufzuhören. Die Methoden, Non-Adherence zu bestimmen, sind unterschiedlich zuverlässig. Aber insgesamt lässt sich sicher sagen, dass Therapietreue ein eher seltenes Gut ist. Bei COPD und Asthma liegt der Prozentsatz adhärenter Patientinnen und Patienten bei etwa 30% [1]. Die Folgen? Fehlende Therapietreue bei chronischer Herzinsuffizienz ist zum Beispiel mit erhöhter Letalität und höheren Kosten vergesellschaftet [2]. Die Lösung? Für die Onkologie hat sich gezeigt, dass Adhärenz eng mit professioneller Kommunikation zusammenhängt [3].
Neben objektiven Gründen für tiefe Adhärenz auf Patientenseite (zum Beispiel Zugang zu Medikamenten, Kosten, Einbettung in den Alltag) interessiert vor allem: Wissen Betroffene, warum es für sie wichtig wäre, ihr Verhalten zu verändern? Und wissen Fachpersonen, warum es Betroffenen schwerfällt, genau dies zu tun?
© Luca Bartulović

Zusammen zur Verhaltensänderung

Zunächst einmal müssen sich Fachpersonen als Experten für das, was man weiss (objektive Tatsachen) und Betroffene als Experten für das, was nur sie selbst wissen (subjektive Tatsachen), austauschen. Danach können sie Schritte in Richtung einer Verhaltensänderung besprechen. Diese Arbeitsschritte sind prototypisch im Motivational Interviewing (MI) formuliert, das aktuell von PEPra für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie MPA in einer Mischung aus E-Learning-Kurs, Praxis-Seminar und Live-Kontakten mit falldarstellenden Personen im Internet vermittelt wird (siehe Box).
MI gilt als die am besten evaluierte Methode, um die Ambivalenz Betroffener gegenüber Verhaltensänderungen zu identifizieren und positiv zu beeinflussen [4, 5]. Es wird im Studium vermittelt und im medizinischen Staatsexamen überprüft. Beim MI ist vor allem der Transfer von der Theorie in den Praxisalltag kritisch. Was sich gut liest und im Seminar gar nicht so schwierig war, gerät im konkreten Einsatz schnell wieder unter die Räder [6]. Um die Anwendung zu üben, sind deswegen innovative Formen des Lehrens und Lernens gefragt, um es in die Breite zu tragen und in der täglichen Praxis zu verankern [7]. PEPra trägt dem Rechnung, indem es 1:1 Online-Gespräche mit speziell geschulten «Betroffenen» anbietet, die von einer Verhaltensänderung profitieren würden.
Auf der Seite www.pepra.ch/de/fortbildungen/lebensstil-praevention-motivational-interviewing erhalten Teilnehmende Zugang zum E-Learning (theoretischer Hintergrund) sowie zu den verschiedenen Anwendungsübungen online oder im Praxisseminar.
Wolf Langewitz
ist Professor emeritus für Psychosomatik am Universitätsspital Basel und schreibt an dieser Stelle regelmässig über Arzt-Patienten-Kommunikation.
1 Jansen E.M. et al.: Global burden of medication non-adherence in chronic obstructive pulmonary disease (COPD) and asthma: a narrative review of the clinical and economic case for smart inhalers J Thorac Dis (2021)13:3846-3864. http://dx.doi.org/10.21037/jtd-20-2360
2 Riles E.M. et al.: Medication adherence and heart failure. Curr Cardiol Rep (2014) 16:458-464; doi 10.1007/s11886-013-0458-z
3 Wuensch, P. et al.: Discontinuation and non-adherence to endocrine therapy in breast cancer patients: is lack of communication the decisive factor? J Cancer Res Clin Oncol (2015),141, 55–60. https://doi.org/10.1007/s00432-014-1779-z
4 Smedslund G. et al.: Motivational interviewing for substance abuse, Cochrane Database Syst. Rev. (2011), doi: http://dx.doi.org/10.1002/14651858.CD008063.pub2.
5 Martins R.K., McNeil D.W.: Review of Motivational Interviewing in promoting health behaviors, Clin. Psychol. Rev. 29 (2009), 283–293, doi: http://dx.doi.org/ 10.1016/j.cpr.2009.02.001.
6 Wang W. et al.: Well begun ist half done: Toward an understanding of predictors for initial training transfer. European Management Journal (2021), 40: 247e257;L https://doi.org/10.1016/j.emj.2021.04.002
7 Dragomir, A.D. et al.: An international Delphi consensus study to define motivational interviewing communication in the context of developing a training program for physicians. Translational Behavioral Medicine (2021), 11: 642–652; https://doi.org/10.1093/tbm/ibaa015