Auf den Punkt

«Der Bericht von Swissmedic vermittelt ein falsches Bild»

News
Ausgabe
2023/22
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21881
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(22):8-9

Publiziert am 31.05.2023

Hygiene Die korrekte Aufbereitung chirurgischer Instrumente und anderer Medizinprodukte ist entscheidend für die Patientensicherheit. Doch laut einem Bericht von Swissmedic halten sich viele Spitäler nicht an die Vorschriften. Der Spitalhygieniker Walter Zingg stimmt dem Heilmittelinstitut zu, dass Verbesserungen nötig sind. Dennoch kritisiert er den Bericht.
Walter Zingg, Swissmedic hat Spitalinspektionen durchgeführt und dabei verschiedene Mängel bei der Aufbereitung und Instandhaltung von Medizinprodukten festgestellt. Haben die Ergebnisse Sie als Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Spitalhygiene (SGSH) überrascht?
Wir wussten, dass die Vorgaben von Swissmedic nicht in allen Spitälern zu 100% umgesetzt werden. Es war also vorauszusehen, dass einige Spitäler das Niveau nicht erfüllen können.
Nach dem Einsatz muss das Endoskop desinfiziert werden.
© Sudok1 / Dreamstime
Swissmedic hat vor allem fehlende Ressourcen bemängelt, zum Beispiel zu wenig qualifiziertes Personal. Allerdings gibt es keine Aussage darüber, ob die aufbereiteten Medizinprodukte letztlich die Patientensicherheit gefährdet haben. Was nehmen Sie nun mit aus dem Bericht?
Einerseits ist es gut, dass der Bericht da ist. Dadurch erhöht sich der Druck auf die Spitäler, bei diesem Thema vorwärts zu machen. Vor allem bei der Aufbereitung der flexiblen Endoskope ist das nötig. Das Prozedere war in diesem Bereich lange Zeit kaum standardisiert, und das wollen wir so nicht mehr. Die Aufbereitung soll von geschultem Personal gemacht werden. Die Spitäler sind unterwegs, aber sie sind oftmals noch nicht da.
Und andererseits?
Auf der anderen Seite ist der Bericht misslungen, weil er ein falsches Bild vermittelt. Die Autoren beschreiben zunächst, wie viele Beobachtungen pro Spital gemacht wurden und wie viele kritische Abweichungen es gab.
Die Rede ist zum Beispiel von durchschnittlich 12,8 Beobachtungen im Bereich der Zentralsterilisationen. Die Anzahl kritischer Abweichungen betrug dort im Durchschnitt 1,4.
Genau. Als nächstes aber werden Balkenfiguren gezeigt, die Aussagen über Abweichungen machen. Diese Balken beziehen sich nicht auf alle Beobachtungen, sondern nur auf die, in denen es tatsächlich Abweichungen gab. Das ist allerdings nicht gut ersichtlich. Für den Betrachter entsteht der Eindruck, dass es bei allen Beobachtungen Mängel gab. Die Alarmglocken schrillen dann natürlich. Die Medienkommentare, die es danach gab, spiegeln, dass man den Bericht schlecht verstehen kann. Letztlich geht es aber immer auch um Risikoabschätzung. Nicht alles, was nicht 100% korrekt ist, stellt für den Patienten eine unmittelbare Gefahr dar.
Swissmedic will künftig jährlich 10% der Schweizer Spitäler kontrollieren statt bisher 5%. Ist das die richtige Strategie?
Ja. Wahrscheinlich ist es die richtige Strategie. Es stimmt nachdenklich, dass es den Druck von aussen geben muss, damit etwas passiert. Wir Spitalhygieniker führen die Diskussionen rund um die Aufbereitung der Medizinprodukte schon seit vielen Jahren in den Spitälern, verfolgen hier aber einen risikobasierten Ansatz. Das heisst, wir versuchen, die Risiken zu verstehen und primär dort aktiv zu werden, wo das höchste Risiko für die Patientensicherheit besteht.
Woran liegt es, dass derzeit zu wenig in den Spitälern geschieht?
Die Kompetenzen sind nicht klar geregelt. Chirurgen, Pneumologen, Urologen, Gastroenterologen, sie alle und noch weitere Fachbereiche führen Interventionen mit Medizinprodukten durch, die danach wieder aufbereitet werden müssen. Die Aufbereitung zu zentralisieren ist herausfordernd, wenn so viele Menschen mitreden.
Müssen sich jetzt die Klinikleitungen einbringen?
Wahrscheinlich wird das Thema zur Chefsache. Die Leitungen müssen das Ganze organisieren. Ich denke nicht, dass wir nun neue und detailliertere Richtlinien brauchen. Wir müssen anwenden, was es schon gibt. Die Prozesse in den Spitälern müssen angepasst und die Leute geschult werden. Wir von der Gesellschaft für Spitalhygiene sind wie Swissmedic der Meinung, dass es Handlungsbedarf gibt. Aber ich möchte betonen: Die Patientinnen und Patienten sind nicht akut gefährdet.

Spitalinspektionen

Swissmedic ist die zentrale schweizerische Überwachungsbehörde des Bundes für Heilmittel. Die Behörde führte 2021/22 Inspektionen in 35 Schweizer Spitälern durch, um die Aufbereitung und Instandhaltung von Medizinprodukten zu überprüfen. Die konstatierten Mängel betrafen vor allem personelle und räumliche Ressourcen, aber auch Prozesse und Qualitätsmanagementsysteme. Der ganze Bericht ist hier zu lesen: https://bit.ly/3OzkbES
PD Dr. med. Walter Zingg
Leitender Arzt, Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am Universitätsspital Zürich, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Spitalhygiene