Einblick in ausgewählte Projekte
In der Palliative Care arbeiten verschiedene Berufsgruppen eng zusammen. Gleichzeitig beziehen sie das persönliche Umfeld mit ein, damit der oder die Betroffene bis zum Tod eine bestmögliche Lebensqualität erhält. Diese thematische Breite zeigte sich auch in der Vielfalt der Forschungsfragen, die im Rahmen des SAMW-Förderprogramms untersucht wurden.
Auf der Suche nach einer Datenbasis
Wer sind eigentlich die Palliative-Care-Patienten in der Schweiz? Wie läuft das Leben einer Patientin innerhalb von entsprechenden Institutionen genau ab? Um solchen Fragen auf den Grund zu gehen, schickte ein Forschungsteam um Steffen Eychmüller vom Inselspital Bern und Sophie Pautex vom Unispital Genf Fragebögen an sechs Palliative- Care-Abteilungen in der Schweiz. 379 Bögen konnten ausgewertet werden: Die in einer Palliative-Care-Abteilung behandelte Person war im Durchschnitt 73 Jahre alt, weiblich, protestantisch und an Krebs erkrankt. Nicht-Krebs-Patienten haben es schwieriger, an Palliative-Care-Angebote zu kommen, wie aufgrund der Studie deutlich wurde. Wichtig war den Forschenden auch, zeigen zu können, dass die Etablierung einer nationalen Datenbasis für Palliative Care möglich wäre. Das Projekt soll deshalb weiter vorangetrieben werden mit dem Ziel, ein entsprechendes Datentool in der Schweiz zu institutionalisieren.
Wenn Menschen aufhören, zu essen und zu trinken
Die meisten waren um die 80 Jahre alt und litten an Krebs oder anderen lebensbedrohlichen Krankheiten. Ihre Lebenserwartung betrug weniger als ein Jahr. Weil sie Angst davor hatten, von anderen abhängig zu werden, und müde und erschöpft waren, entschieden sie, mit Essen und Trinken aufzuhören. In den meisten Fällen verstarben die Betroffenen nach rund 13 Tagen. Dies sind einige der Resultate einer ersten nationalen Befragung zum Freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit (FVNF), die ein Forscherteam um André Fringer von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in einer empirischen Studie erhoben hat. Zwar ist FVNF im beruflichen Alltag eine Randerscheinung – nur gerade 1,7% der Patienten, die in Schweizer Pflegeeinrichtungen sterben, wählen diesen Weg. Für involvierte Professionelle kann der FVNF jedoch eine grosse Herausforderung sein und sie in ein ethisches Dilemma bringen. Anhand der Studienergebnisse und der bereits existierenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zum FVNF ist gemäss den Forschenden deutlich geworden, «dass eine professionelle Auseinandersetzung z.B. mittels Schulungsmassnahmen zum FVNF notwendig ist».
Palliative Care zu Hause bei ALS-Patienten
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine degenerative Krankheit des Nervensystems, für die es keine Heilung gibt. Von der Diagnose bis zum Tod bleiben ALS-Patienten meistens zwei bis drei Jahre Lebenszeit. Oft werden ALS-Patienten zu Hause von einzelnen oder mehreren Angehörigen bis zum Tod gepflegt. Ein Forschungsteam um Tenzin Wangmo vom Institut für Bio- und Medizinethik an der Universität Basel will herausfinden, was für Bedürfnisse pflegende Angehörige haben und wie sie in dieser emotional, aber auch körperlich herausfordernden Zeit unterstützt werden können.
Dankbar werden für ein zu Ende gehendes Leben
Wer seinen Angehörigen gegenüber dankbar sein kann, geht das letzte Stück Weg zufriedener und gestärkt. Davon gehen die Forschenden um Mathieu Bernard vom Universitätsspital Lausanne aus. Denn aus früheren Forschungsprojekten ist bekannt, dass nicht-physische Faktoren einen grossen Einfluss auf die Lebensqualität eines Patienten und seiner Familie haben können. Wie aber wird man dankbar? Wie kann man Menschen dabei unterstützen? Für ihre Studie führen die Forscher mit 30 Patienten-Angehörigen-Paaren Dankbarkeits-Interventionen durch. Eine Intervention besteht aus zwei Schritten. Der erste ist ein Dankbarkeitsbrief, in dem Patient und Angehörige jeweils schreiben, weshalb sie dem anderen gegenüber dankbar sind. Der zweite Schritt ist ein Dankbarkeitsbesuch, während dessen einander die Briefe überreicht und vorgelesen oder zum späteren Lesen mitgegeben werden.
Herzoperation und/oder Palliative Care?
Ältere Patienten mit symptomatischer Aortenstenose müssen mit einer stark erhöhten Sterblichkeit rechnen. Eine Forschungsgruppe um Tanja Krones vom UniversitätsSpital Zürich versucht mittels Interviews herauszufinden, welche Wünsche diese Patienten für die aktuelle Behandlungsplanung oder bei zukünftigen gesundheitlichen Krisen haben. Möchte sich der Patient einer offenen Herzoperation oder einer weniger invasiven kardialen Intervention unterziehen lassen? Zu welchem Zeitpunkt möchte er den Fokus auf einen palliativen Behandlungsplan legen? Wie soll insbesondere im Falle von Komplikationen während oder nach der Operation vorgegangen werden? Eine Analyse der Interview-Aussagen soll als Entscheidungshilfe aufgearbeitet werden. Mit diesem Instrument soll es dem Patienten, den Angehörigen und den interprofessionellen Behandlungsteams leichter fallen, einen stimmigen Weg zwischen den medizinischen Möglichkeiten und den zu erwartenden Chancen und Komplikationen zu finden.
Tod am Lebensanfang
Jedes Jahr sterben in der Schweiz rund 600 Babys im Zeitraum zwischen der 22. Schwangerschaftswoche und der ersten Woche nach der Geburt. Diese perinatalen Todesfälle sind für die betroffenen Eltern ein äusserst schmerzhaftes Erlebnis, das im schlimmsten Fall zu posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen und anderen Problemen führen kann. Eine Forschungsgruppe um Claudia Meier Magistretti von der Hochschule Luzern und Valerie Fleming von der Liverpool University eruierte mittels Interviews mit betroffenen Eltern, welche Betreuung und Unterstützung hilft, damit möglichst keine psychischen Langzeitfolgen entstehen. Ein von den Forschern gemeinsam mit Eltern, Fachpersonen und Krankenversicherungen entwickeltes Best-Practice-Modell hält diverse Massnahmen fest, die betroffenen Mütter und Väter vom Zeitpunkt der Diagnose bis zur Trauerverarbeitung wirksam unterstützen.